Juni 2002:
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Dialog der Kulturen in Abu Dhabi

Helga Zepp-LaRouche spricht in Abu Dhabi
Im Rahmen einer Konferenz des Zayed-Zentrums für Koordinierung und Abverfolgung in Abu Dhabi hielt die Spitzenkandidatin der BüSo, Helga Zepp-LaRouche, am 6. Juni einen Vortrag über das Thema "Dialog der Kulturen versus Krieg der Zivilisationen".

Vor einem Publikum von hochrangigen Politikern, Diplomaten und Medienvertretern aus der arabischen Welt betonte Frau Zepp-LaRouche auf der Konferenz des Zayed-Zentrums in Abu Dhabi den merklichen Unterschied, der zwischen der Berichterstattung über das israelische Vorgehen gegen die palästinensische Bevölkerung in den arabischen und in den westlichen Medien zu beobachten sei. Vor allem in den USA werde diese furchtbare Realität so gut wie völlig unterdrückt.

Nach den Ereignissen des 11. September, dem Krieg gegen Afghanistan, der Eskalation im Nahen Osten und nun der Zuspitzung des Konflikts zwischen Indien und Pakistan sei der von Samuel Huntington beschworene "Krieg der Zivilisationen" leider bereits eine Realität in der gesamten Region, und es sei offensichtlich, daß die Thesen Huntingtons ein Szenario darstellten, dem die praktische Politik der USA folge. Seine Grundthese, daß es keinerlei Gemeinsamkeiten zwischen den großen Zivilisationen - Christentum, Islam, Judentum, Hinduismus oder Konfuzianismus - gebe und daß es deshalb notwendigerweise zu einem Krieg zwischen diesen kommen müsse, sei natürlich absurd und beweise nur, daß Huntington von allen diesen Kulturen nicht die geringste Ahnung habe. Dahinter verberge sich nur der alte kolonialistische Trick des "Teile und Herrsche".

Wenn heute Vertreter der amerikanischen Administration davon sprächen, der Krieg gegen den Terrorismus werde "hundert Jahre" dauern, dann verdeutliche dies die Gefahr, daß die Menschheit in ein neues finsteres Zeitalter abstürze, und dies sei nicht akzeptabel. Die Alternative zur Vorstellung eines "permanenten Krieges" seien die Lehren des Westfälischen Friedens, die im Gegensatz zu den Ansichten Henry Kissingers sehr wohl auch für den Mittleren Osten, die Golf-Region und Südasien anwendbar seien. Die Prinzipien des Westfälischen Friedens seien die einzige Grundlage, auf der Religionskriege beendet werden könnten.

Frau Zepp-LaRouche bezog sich erneut auf den großartigen Appell zum ökumenischen Dialog, wie er von Nikolaus von Kues 1453 nach dem Fall von Konstantinopel in seiner Schrift "Über den Frieden im Glauben" verfaßt worden war. Cusanus hatte in dem Dialog aufgezeigt, wie eine Lösung für Religionskriege auf der Ebene der Philosophen und Weisen als Vertreter ihrer Religionen und Nationen gefunden werden könne. Das cusanische Prinzip, wonach das Eine eine höhere Qualität als das Viele habe, und die Methode des cusanischen Koinzidenz- Denkens böten auch für die politischen Probleme der Region den Lösungsansatz.

Die Idee der einen wißbaren Wahrheit, der "theologia prisca" der einen Religion, die den verschiedenen Religionen vorgesetzt sei, finde sich nicht nur bei Nikolaus, sondern auch in anderen Religionen. In den ersten Schriften des Hinduismus, den Rigveda, gebe es die Idee der ewigen Religion, der Sanatana Dharma, die selbst über dem Hinduismus stehe. Der eine Gott habe verschiedene Namen von den verschiedenen Propheten erhalten. Die eine Schönheit spiegele sich in den verschiedenen Seelen auf unterschiedliche Weise, und die Vielfalt existiere, weil es Gott so gefalle.

Frau Zepp-LaRouche erinnerte an Friedrich Schillers Antrittsrede in Jena 1789, wonach alle Begebenheiten der Menschheitsgeschichte notwendig sind, um unsere Existenz heute zu erklären. Wenn wir die Universalgeschichte im Schillerschen Sinn auf den Dialog der Kulturen anwendeten, dann hätten wir die Lösung. Von den vier "Wiegen der Menschheit" nach der letzten Eiszeit, China, Indien, Mesopotamien und Ägypten, habe jede universelle Beiträge geliefert, sie alle hätten verschiedene Hochphasen mit bahnbrechenden Entdeckungen durchlaufen - von den Vedischen Kalendern, von denen Tilak berichtete, über die Beiträge der Xia-, Shang- und Yin-Dynastien, den verschiedenen Dynastien des "alten Reichs" in Ägypten bis schließlich zur Rolle Ägyptens als Wegbereiter der griechischen Klassik.

Das klassische Griechenland sei der eigentliche Beginn der europäischen Geschichte, und vor allem Platon habe für die Entwicklung des zur Vernunft fähigen Individuums eine wichtige Rolle gespielt - Ideen, die vom Christentum mit zusätzlicher Autorität ausgestattet worden seien. Nach dem zwangsläufigen Kollaps des Römischen Reiches seien es die Gupta-Periode in Indien, die Tang-Dynastie in China sowie vor allem die Abbasiden-Dynastie in der arabisch-islamischen Welt gewesen, die den Fortschritt der Menschheit vorangetrieben hätten. Bagdad sei im 8. Jahrhundert n.Chr. die Welthauptstadt der Kultur gewesen. Die Kalifen Harun Al Raschid und Al Mamun hätten eine enorme kulturelle Leistung vollbracht, indem sie versuchten, alles bekannte Wissen aus Byzanz und dem Mittelmeerraum zu retten. Die Werk von Hippokrit, Galen, Platon, Aristoteles, Ptolemäus, Euklid und Archimedes wurde so über den Umweg Bagdads für Europa gerettet.

Frau Zepp-LaRouche appellierte an die arabische Welt, sich die Renaissance der Abbassiden zum Vorbild zu nehmen. "Machen Sie sich alles Wissen der ganzen Welt zu eigen, so wie es die großen Kalifen taten, und entwickeln Sie eine neue Renaissance für heute!" Von großer Bedeutung sei besonders der Beitrag der andalusischen Kultur gewesen, die entscheidende Brücke des Kalifats in Bagdad zur europäischen Renaissance. Beispielhaft sei die Rolle des Dichters Ali Ibn Nafi, auch Zirjab von Bagdad genannt, der den ganzen Reichtum der orientalischen Kultur, Poesie und Musik an den Hof von Cordoba brachte.

Offensichtlich könne man diesen Prozeß der Universalgeschichte hier nur skizzieren, entscheidend aber sei die sich daraus ergebende Aussage, daß ein Dialog der Kulturen im Prinzip absolut selbstverständlich sei, weil er bereits über die Jahrhunderte hin stattgefunden habe. Große Dichter und Denker hätten über Jahrhunderte gewirkt und ihre Nachfolger inspiriert, die Fackel des Fortschritts sei mal von dieser, mal von jener Kultur getragen worden.

Heute sei die Menschheit an einem Scheidepunkt angelangt, zum ersten Mal in der Geschichte säßen wir alle in einem Boot. In der Vergangenheit seien Kulturen an einem Ende der Welt untergegangen, und am andern habe man nicht einmal davon gewußt. Aber heute sei die ganze Welt engstens miteinander verbunden. Entweder gelinge es der Menschheit als Ganzer, eine Lösung zu finden, oder sie stürze als Ganze in ein finsteres Zeitalter ab.

Um der Gefahr eines Kriegs der Zivilisationen und eines "hundertjährigen Krieges" zu begegnen, sei es notwendig, alle Kulturen in ihren Hochphasen zu beleben. Wenn so ein Dialog zwischen den besten Traditionen über die Jahrhunderte stattfinde, könne eine völlig neue Ebene gefunden werden. Verglichen mit den Ideen von Platon, Konfuzius, Al Farabi, Al Khindi, Ibn Sina, Nikolaus von Kues, Leibniz oder Schiller, um nur einige Namen zu nennen, sei Samuel Huntington ein intellektueller Wicht. Durch den Dialog würden die Teilnehmer erhoben, es gehe nicht um Detailfragen der Geschichte, sondern darum, daß die Menschen verschiedener Kulturen zusammenkommen, weiser würden, so daß sich ein guter Wille entwickele.

Ziel müsse es sein, vor allem für Kinder und Jugendliche die eigene Kultur lebendig zu machen und ihre Liebe zu anderen Kulturen zu erwecken; nur so könne Chauvinismus und Rassismus für immer überwunden werden.


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