Februar 2002:
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Vorbild für den Frieden

Ökumene: Am 24. Januar trafen sich hohe Vertreter aller Weltreligionen zum Friedensgebet in Assisi zum bisher größten ökumenischen Treffen der Geschichte.

Der heilige Franziskus
"Den Frieden nicht den Generälen überlassen", das war einer der Redebeiträge auf dem ökumenischen Treffen von Assisi, was ganz im Sinne von Franz von Assisi (Fresko in der Unterkirche der Basilika S. Francesco in Assisi, Giovanni Cimabue, um 1240 - 1302) ist, der die Armee verließ um ein Leben um Gottes Schöpfung willen zu führen.

Am 24. Januar fand im italienischen Assisi ein historischer "Tag des Friedensgebets" statt - die bisher größte ökumenische Versammlung der Geschichte. Auf Einladung von Papst Johannes Paul II. waren zwölf Weltreligionen mit mehr als 50 Delegationen vertreten - insgesamt 200 führende Religionsvertreter - , um die Botschaft in alle Welt auszusenden, daß Religion niemals ein Vorwand für einen "Krieg der Kulturen" sein dürfe. Das Treffen, zu dem ganz besonders muslimische Kleriker geladen waren, vereinte alle christlichen Kirchen (außer der griechisch-orthodoxen), führende jüdische und muslimische Vertreter (u.a. eine iranische Delegation), Buddhisten, Sikhs, Hindus und kleinere Religionsgemeinschaften.

Der Versammlungsort Assisi, das Zentrum der franziskanischen Bewegung, war ein bedeutungsvoller Rahmen. Hier begann schon der Heilige Franziskus (1182-1226) den christlich-islamischen Dialog gegen den "Krieg der Kulturen" seiner Zeit, die Kreuzzüge. "Wir treffen uns in Assisi", sagte der Papst in seiner Ansprache, "wo alles von einem einzigartigen Friedenspropheten spricht, Franziskus. Nicht nur die Christen lieben ihn, sondern auch viele andere Gläubige und Menschen, die der Religion als solcher fernstehen, sich aber mit seinen Idealen von Gerechtigkeit, Versöhnung und Frieden identifizieren."

Das Treffen fand in und vor der Basilika statt, die Franziskus' Anhänger nach dessen Tode errichtet hatten und deren Gewölbe mit Giottos berühmten Fresken über sein Leben geschmückt sind, worin der Maler mit der neuen Perspektive die franziskanische Revolution auch in die Malerei trug. Es hatte z.B. besondere symbolische Bedeutung, daß die islamische Delegation im Raum von Bruder Elias betete, der 1217 als Franz' engster Mitarbeiter die erste Franziskanerfahrt zu den Heiligen Stätten anführte. Es war Elias zu verdanken, daß der Fünfte Kreuzzug ein friedliches Ende nahm und der ägyptische Sultan Al Kamel und Kaiser Friedrich II. sich darauf einigten, daß die Christen die Heiligen Stätten erhielten.

Die Delegierten fuhren von Rom nach Assisi in einem Sonderzug mit den päpstlichen Insignien, der immer wieder von Menschenmengen gesäumt wurde. Während der zweistündigen Fahrt konnten die Religionsvertreter aus aller Welt ganz informell miteinander sprechen - eine einzigartige Erfahrung. "Die Nahostfrage spielte in den Gesprächen auf den Gängen im Zug eine wichtige Rolle", schrieb die katholische Tageszeitung Avvenire anschließend. In Assisi wurden die Delegierten vom italienischen Staatspräsidenten und von Regierungschef Berlusconi begrüßt. Dann sprach der Papst.

Johannes Paul II. erklärte, Frieden könne nur durch Gerechtigkeit und Vergebung erreicht werden (was schon das Thema seiner Neujahrsansprache gewesen war), und die Grundlage dieses Dialogs sei das Naturrecht, d.h. ein gemeinsames Menschenbild. Er fuhr fort: "In Gott finden wir vor allem die Einheit von Gerechtigkeit und Gnade. Er bleibt sich selbst und den Menschen treu, selbst wenn sie fern von ihm wandeln." Daher ruhe der Frieden auf zwei Säulen, "dem Ziel der Gerechtigkeit und der Bereitschaft zur Vergebung". Der Mensch sei als Abbild Gottes geschaffen: "Gott selbst setzte in die Herzen der Menschen den Instinkt, in Frieden und Harmonie zu leben", sagte der Papst. "Es ist eine Pflicht der Religionen, und ganz besonders ihrer Führer, den Menschen unserer Zeit wieder das Gefühl zu vermitteln, daß dringend Frieden geschaffen werden muß."

Dazu brauche man das Gebet als "Einheit mit Gott, der wahren Quelle des Friedens", aber vom Gebet müsse dann auch das Handeln ausgehen. "Beten heißt nicht, vor der Geschichte und ihren Problemen wegzulaufen. Im Gegenteil, es bedeutet die Entscheidung, sich der Wirklichkeit nicht allein zu stellen, sondern mit der Kraft, die von oben kommt, der Kraft der Wahrheit und Liebe, die ihren letzten Ursprung in Gott hat." Durch das Gebet gewinne der Mensch den Mut, "sich selbst den größten Schwierigkeiten mit einem Gefühl der persönlichen Verantwortung zu stellen und sich niemals dem Fatalismus oder impulsiven Reaktionen zu ergeben".

Indem jede ihrer eigenen religiösen Tradition entsprechend bete, würden die in Assisi versammelten Delegationen "der Welt zeigen, daß der aufrichtige Impuls zum Gebet nicht zum Gegensatz führt", sagte der Papst. Und er schloß seine Ansprache mit einem Aufruf an die jungen Menschen aller Religionen, "wie Franz von Assisi zu sein: milde und mutige ,Wächter' des wahren Friedens auf der Grundlage von Gerechtigkeit und Vergebung, Wahrheit und Gnade!"

Den Frieden nicht den Generälen überlassen

Anschließend sprachen Vertreter der anderen Delegationen. Der eindrucksvollste Auftritt war der von Rabbi Israel Singer aus New York, der dem Direktorium des Jüdischen Weltkongresses angehört. Der Jüdische Weltkongreß unter seinem Vorsitzenden Edgar Bronfman hatte in der Vergangenheit stets unkritisch die Politik der israelischen Regierung unterstützt, und auch Singers vorbereiteter Redetext enthielt einen Passus über die Unterstützung von "Kriegen gegen bestimmte Gruppen, Kämpfe, die rücksichtslos und erbarmungslos geführt werden müssen". Aber Singer hatte wohl unter dem Eindruck der Situation eine Art Erleuchtung - er verwendete nicht den schriftlichen Redetext, sondern sprach frei, mit vielen Gesten und in einem anderen Geist.

An die moslemischen Kleriker gewandt sagte er: "Sie sollten Ihr Volk fragen, und wir sollten uns selbst fragen, ob Land und Städte wichtiger sind als Menschenleben" - ein unmißverständlicher Angriff auf die israelische Siedlungspolitik. Und an den Papst gewandt fuhr Singer fort: "Wenn wir diese Lehre verinnerlicht haben, werden wir lernen, wie wir Frieden schaffen können, so wie es uns Johannes Paul II. gezeigt hat, indem er persönlich mit seinen Bemühungen um Aussöhnung mit dem Judaismus, die die Geschichte verändert haben, einen Beitrag leistete."

"Der Frieden ist eine zu ernsthafte Sache, als daß wir ihn den Generälen überlassen dürfen - es ist vor allen an uns religiösen Führern, ein Vorbild zu sein", rief Singer aus. Er dankte dem Papst mit den Worten: "Nur Ihr, Eure Heiligkeit, konntet zu einem solchen Treffen aufrufen", und fügte hinzu: "Aber ohne uns wäre es erfolglos geblieben."

Weitere Redner waren der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel Bartholomeus I., der Vertreter von Scheich Mohammed Tantawi von der Al-Azhar-Moschee (die höchste moslemische Autorität Ägyptens), Geshe Tashi Tsering, ein Vertreter des Dalai Lama aus Großbritannien, sowie Chiara Lubitch von einer katholischen Bewegung. Anschließend zogen sich die Delegationen in ihre Gebetsräume zurück, bevor sie sich zu einem Bankett wieder versammelten.

Den Abschluß bildete dann eine Zeremonie, in der jede Delegation sich feierlich zum Frieden bekannte und eine Kerze entzündete. Der Papst sprach den letzten Eid: "Nie wieder Gewalt! Nie wieder Krieg! Nie wieder Terrorismus! Im Namen Gottes, jede Religion bringe der Erde Gerechtigkeit und Frieden, Vergebung, Leben und Liebe."

Das Naturrecht als Vermächtnis

Zur weiteren Wirkung des Treffens sagte Joseph Kardinal Ratzinger, den der Papst persönlich eingeladen hatte: "Wir erwarten keine unmittelbaren Auswirkungen, aber wir alle wollen den einzigen Gott kennen und dem Frieden dienen." Der Kardinal hatte dem Papst bei der Vorbereitung des Treffens geholfen, die konzeptionelle Grundlage der ökumenischen Politik des Vatikans auszuarbeiten. In einem Papier, das er dem Papst am 18. Januar vorlegte, behandelt Ratzinger die Frage des Naturrechts. Der Papst nannte das Naturrecht eine Lehre, "die zum großen Vermächtnis des menschlichen Wissens gehört" und die "Teilhabe vernünftiger Geschöpfe an Gottes ewigem Gesetz" bedeute. Es erlaube "eine breite Grundlage des Dialogs mit Menschen anderer Orientierung oder anderer Gruppen bei der Suche nach dem Gemeinwohl".

Lyndon LaRouche hat oft betont, ein ökumenischer Dialog könne nur Erfolg haben, wenn er auf dem Naturrecht beruhe, da sonst ein "Pantheon" entstehe, das die Religionen nur nach ihren Unterschieden beurteile und damit Kriegen zwischen ihnen Vorschub leiste.

Am Tag nach dem Friedensgebet trafen sich die Vertreter des Christentums zu einem Essen im Vatikan. Dieses "Brüderliche Agape" fand im schönsten der großen Säle des Vatikans statt, dem mit Renaissancefresken ausgeschmückten Sala Ducale. Der Papst sagte während der Begrüßung: "Was in Assisi geschehen ist, wird lange in unseren Herzen bleiben und hoffentlich ein tiefes Echo unter den Völkern der Welt finden." Rechts neben dem Papst saß Patriarch Bartholomeus, links der griechisch-orthodoxe Patriarch von Antiochien und dem ganzen Orient, Ignatius IV. Hazim. Am selben Tisch saßen der Staatssekretär des Vatikans Angelo Sodano sowie Vertreter westlicher Kirchen wie der anglikanische Delegierte Bischof Richard Garrad.

Es fehlten nur die autokephale orthodoxe Kirche Griechenlands - die Rom noch heute wegen der Plünderung Konstantinopels im Jahr 1203 meidet - und der Patriarch von Jerusalem, dem die israelischen Behörden die Ausreise verweigerten.

Ein echter Durchbruch war die Anwesenheit von Bischof Pitirim als Repräsentant des Moskauer Metropoliten, Alexej II. Obwohl in der russischen Synode weiterhin starke Widerstände existieren, gab es Anzeichen für eine Annäherung zwischen dem Vatikan und dem russisch-orthodoxen Patriarchat, als kürzlich der Chor des Patriarchats den Papst besuchte und in dessen Privatkapelle sang. Es ist auch bekannt, daß der russische Präsident Putin und Patriarch Bartholomeus von Konstantinopel auf die Teilnahme drängten. Für beide war das Hauptargument, daß es im Interesse von Staat und Kirche in Rußland sei, durch Mitwirkung in Assisi das Verhältnis zur moslemischen Welt zu verbessern.


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