Februar 2005:

Eulenspiegel: Wenn einer eine Reise tut

George W. Bush
"Wollemern roilasse???", haben sich vor seinem Besuch sicher viele Mainzer gefragt. - "Roi middem! ..."

Die Mainzelmännchen stehen Kopf: Seit Wochen gibt es im ganzen Rhein-Main-Gebiet kein anderes Gesprächsthema als das Verkehrschaos, das der amerikanische Präsident bei seinem Besuch am 23. Februar anrichten wird. Die ganze historische Mainzer Altstadt wird abgeriegelt, damit George der Kleine sich dort in Ruhe umsehen kann. Dabei soll es doch Leute in seiner Regierung geben, die vom "alten Europa" gar nichts halten.

Die Autobahnen ringsum werden zu Einbahnstraßen. Recht so, muß man sagen, denn selten hat es in der Weltgeschichte derartige politische Geisterfahrer gegeben - da hält man sich schon lieber eine Spur frei. Luftraum und Seeraum - sprich Vater Rhein - werden den ganzen Tag gesperrt. Das soll angeblich auf ein Ersuchen gewisser Bush-Freunde in der deutschen Politik zurückgehen, die sich gesagt haben: Er soll sich wie zuhause fühlen, und reichlich unbenutzten Luftraum gibt es in seinem Kopf schließlich auch.

Übrigens wird vor Ort gemerkelt, äh gemunkelt, das ganze Verkehrschaos sei eigentlich völlig übertrieben und unnötig, und Mister Bush habe sich das nur als Rache für einen Fastnachtsscherz einfallen lassen. Im Mainzer Rosenmontagszug vor zwei Wochen fuhr nämlich auch ein Motivwagen mit, der einen überlebensgroßen Pappmascheepräsidenten G.W.B. mit einem gewaltigen blanken Hinterteil zeigte, in das eine kleine deutsche CDU-Vorsitzende gerne hineinkriechen will.

Dabei gingen die Stimmen, die deswegen von einer "möglichen Verunglimpfung eines ausländischen Staatsoberhauptes" sprachen, an der Wirklichkeit völlig vorbei, denn meines Wissens ist Frau Merkel weder Staatsoberhaupt noch Ausländerin. Außerdem ist besagter Hintern ein historischer: Wie der Vorstand des zuständigen Karnevalsvereins der örtlichen Presse mitteilte, befand sich das gute Stück seinerzeit noch unter dem markanten Schädel unseres Franz Josef Strauß!

Immerhin könnten die deutschen Gastgeber, wenn ihnen das großspurige Auftreten des kleingeistigen Gastes auf die Nerven geht, sich revanchieren, indem sie, kurz bevor George geheiligten Mainzer Boden betritt, allen Versammelten laut und deutlich die berühmte Frage stellen: "Wolle mer'n roilasse?" Woraufhin die Abertausende Polizeibeamten und Sicherheitsleute unter ihren schlappen Hüten und getönten Brillen wenigstens ein leise nuschelndes "Roi mit 'em" hervorzubringen hätten.

Auf die jubelnden Volksmassen Mainzer Ureingeborener mußte man verzichten. Es ist beinahe wie im Irak: Keiner will King George begeistert und rosenstreuend empfangen. Auch wird man George kaum fragen, ob er denn die Bombardierung von Mainz vor fast auf den Tag genau 60 Jahren bedauere, denn es wird allgemein befürchtet, er könnte zurückfragen: "War das vor dem Bürgerkrieg oder danach?"

Nur bei den Kindern wird eitel Freude herrschen, weil die Schulen an dem Tag geschlossen bleiben. Wie wollte man auch diese beiden inhärenten Gegensätze - George W. Bush und Bildung - unter einen Hut bringen?

Die Universitätsklinik nimmt nur noch "Notfälle im Zusammenhang mit Bushs Besuch" auf. Wie das zu verstehen ist, ist unklar. Die Deutschen werden dem Gast doch hoffentlich keine schwer bekömmlichen Salzbrezeln reichen lassen! Oder hat man in der Uniklinik gar das Buch Bush auf der Couch gelesen, worin ein amerikanischer Psychiater Bushs Seelenzustand analysiert und als Befund das halbe Psychiatrielehrbuch auflistet?

Eine große Überraschung steht dem Präsidenten übrigens im Gutenberg-Museum bevor, wenn er die weltberühmte Gutenbergbibel zu Gesicht bekommen wird. Man hört ihn schon verdutzt ausrufen: "Was ist das denn - ich dachte immer, Jesus hätte nur Englisch gesprochen?"

Ärgern werden sich wohl die örtlichen Geschäftsleute, denen ein Tag Umsatz verloren geht, sowie die Arbeitnehmer, die zwangsweise einen Tag Urlaub nehmen müssen. Vielleicht nehmen sie es aber auch als eine "vorbeugende Arbeitsniederlegung", in Anlehnung an Bushs Doktrin vom "vorbeugenden Angriffskrieg". Bei alledem bleibt aber auch etwas Tröstliches: Eine bekannte örtliche Klopapierfabrik arbeitet weiter!

Und danach?

Jetzt isser wieder weg, der Bush, und nix is geklärt. Viel Geld ist auch weg, aber das sind wir ja von Börse und Regierung her gewohnt. Nur einige Unternehmen im Rhein-Main-Gebiet wollen auf Schadenersatz klagen. Die Frage ist nur, bei wem und mit welcher Begründung? "Höhere Gewalt" oder "niedere Intelligenz"?

Gerüchte besagen übrigens, Bush wolle seine Reiseimpressionen in einem Buch schildern, Titelvorschlag: How Not to Make Friends in Germany.

"Wenn ich schreiben würde, was ich über Herrn Bush denke, dann könnte ich mir vorstellen, daß unsere Regierung außenpolitische Schwierigkeiten bekommen könnte. Die will ich ihr ersparen", schrieb der Schauspieler Peter Sodann ("Kommissar Ehrlicher") diplomatisch in einer Zeitung. Damit wird er ausgedrückt haben, was auch Schröder und viele andere gedacht haben. Jaja, hätte jemand sowas wie Abu Ghraib für einen Tatort erfunden, dann hätte es gehießen: "Unsinn, so etwas gibt es doch gar nicht..."

Die deutsche Seite äußerte ihre Kritik eher in subtilen Gesten (obwohl George bekanntlich kein Mann für's Subtile ist). So lehnte der Kanzler es ab, Bush in seiner Heimatstadt Hannover zu treffen. "Der Wladi darf zu mir nach Hause, du nicht!" Zum Glück kam kein Scherzkeks auf die Idee, am Leineufer ein Schild mit dem Bild des Ehepaars Bush aufzuhängen: "Wir müssen leider draußen bleiben."

Und man gab zu verstehen, daß man es in einer Demokratie beim besten Willen nicht 100prozentig vermeiden könne, daß Bush bei einer Diskussion mit Mainzer Bürgern kritische Fragen gestellt würden. Da verzichtete der Held der Demokratie lieber. Dabei kann er froh sein, daß der alte Carl Zuckmayer nicht mehr lebt. Der hätte wohl aus Protest seinen Namen aus dem Goldenen Buch der Stadt glatt wieder gestrichen...

Vor allem aber bereitete es den Deutschen eine diebische Freude, Bush ständig an seinen Vater zu erinnern, was ihm sichtlich mißfiel. Aber ist es nicht traurig genug, wenn man ausgerechnet über einen wie Bush senior sagen muß "Bei ihm war alles besser"?

Doch man muß auch das Positive sehen. Gerüchte besagen, Herr Trittin lasse inzwischen prüfen, ob die Maßnahmen bei Bushs Besuch als Vorbild für die gesamte zukünftige grüne Verkehrspolitik geeignet sind. Autos, die nur stehen, und leergefegte Innenstädte sind schließlich der Traum jedes Umweltschützers.

Auch Herr Putin stellte sich mit Bush auffällig gut. Er hat sich wohl gedacht: "Wenn ich will, daß die Amerikaner sich selbst kaputtmachen, sind das Beste nochmal vier Jahre Bush." Es wurde bekannt, wenn Bush bei Putin wegen "mangelnder Demokratie" vorstellig würde, werde der ihm die Anfechtung seiner eigenen Wahl im Washingtoner Kongreß unter die Nase reiben. Schade, daß man nicht erfuhr, ob es dazu gekommen ist.

Der jüngste Witz über Bushs Reise geht übrigens so: Bei dem Empfang in Mainz gibt es einen Zwischenfall. Jemand kommt ganz aufgeregt aus der Küche gerannt: "Es tut mir schrecklich leid, aber der Lehrling hat nicht aufgepaßt, und jetzt ist eins von den hundert Brötchen versalzen, wir wissen aber nicht, welches." Da sagt Schröder beruhigend: "Das kann doch mal vorkommen. Mir geht es ähnlich. Einer meiner Minister ist mir treu ergeben, ich weiß aber nicht, welcher." Da mischt Bush sich ein: "Und bei mir erst. In meiner einstündigen Rede war ein Satz wahr, ich weiß aber nicht, welcher." - Es grüßt

Ihr Eulenspiegel


Zurück zur Politik-Hauptseite: