März 2006:

GM-Opel: Umrüsten statt schließen!

Mark Sweazy, Vorsitzender in der Automobilarbeitergewerkschaft
Statt LaRouches Vorschlag einer "Umrüstung" der Maschinenbaukapazitäten der Automobilindustrie auf andere Industriegüter aufzugreifen, beginnt bei GM und den Zulieferern eine große Entlassungswelle.

Mark Sweazy gehört der amerikanischen Automobilarbeitergewerkschaft UAW an. Er ist Vorsitzender der UAW-Ortsgruppe 969 in Columbus/Ohio. Er führte zusammen mit einem BüSo-Vertreter ein mehrstündiges Gespräch mit dem Betriebsrat des Opel-Werks in Kaiserslautern.

Fast auf den Tag genau ein Jahr nach dem Zustandekommen des "Zukunftsvertrages" bei Opel (GM), diskutiert die Firmenleitung neue Werksschließungen in Deutschland. Dieses Abkommen bezog sich damals auf die Werke in Bochum, Kaiserslautern und Rüsselsheim und sollte die Auslastung der Werke bis 2010 sichern. Nach dem Abbau mehrerer Tausend Arbeitsplätze verkündete Opelchef Demant damals: "Wir haben unser Ziel erreicht, die deutschen Standorte wettbewerbsfähig und damit fit für die Zukunft zu machen."

Im Europageschäft verzeichnete GM 2005 zwar noch einen Verlust von 375 Mio. Dollar (und zwar mit Opel, Saab, Vauxhall und Chevrolet Europe), aber Opel hat schon fast wieder die Gewinnzone erreicht.

In den USA hingegen machte GM Verluste von 10,6 Mrd. Dollar, davon 5,3 Mrd. Dollar im reinen Autogeschäft, der Rest des Verlustes ergibt sich aus Vereinbarungen über Vorruhestands- und Abfindungsregelungen, unter anderem auch für 131 000 Arbeitnehmer beim Autoteilehersteller Delphi, der bis 1999 zu GM gehörte und dann abgespalten wurde. GM hatte sich verpflichtet, für diese Zahlungen aufzukommen, falls Delphi vor 2007 zusammenbricht. Gegen Ende letzten Jahres hatte Delphi dann das Insolvenzverfahren eingeleitet, was für GM Zahlungsverpflichtungen von mindestens 5,5 Mrd. Dollar bedeutet.

Heuschrecken fordern Entlassungen

Damit ist nur allzu offensichtlich, daß die Diskussion um Werksschließungen in Europa nichts mit der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens in Europa, sondern eher mit der wirtschaftlichen Schieflage und der daraus resultierenden drohenden Insolvenz von GM in den USA zu tun hat. Diese geht vor allem auf schwere Managementfehler Rick Wagoners und auf den schwächelnden amerikanischen Markt zurück, auf dem dann auch noch die Japaner wichtige Marktanteile erringen konnten, so daß GM heute nur noch über einen Marktanteil von 24% in den USA verfügt, im Gegensatz zu über 40% aus früheren Zeiten.

Dem Vorstand von GM setzen die Heuschrecken um den Kasino-König Kirk Kerkorian und Jerome York dermaßen zu, daß Rick Wagoner jetzt die Flucht nach vorne antrat und zwölf Werke in den USA und Kanada schließen und 30 000 Arbeiter aus der Produktion entlassen will. Diese Woche hat man zusätzlich schon damit begonnen, auch Ingenieure, andere Angestellte und gewerkschaftlich nicht organisierte Arbeiter zu entlassen.

Am 29. März dieses Jahres wurde bekannt, daß Delphi 18 der 22 produzierenden Betriebe in den USA innerhalb der nächsten zwei Jahre schließen will und dann in Mexiko, Korea und China produzieren läßt. Das ist das Werk des großen "Eliminators" Steve Miller, dem Vorstandschef von Delphi, der von den Heuschrecken-Interessen in diesen Posten gehievt wurde, um Delphi schnellstmöglichst zu zerschlagen, um noch so viel Geld wie möglich dabei herauszuschlagen. Steve Miller schien der geeignete Mann, sozusagen der "gedungene Killer", für diesen Job zu sein, hatte er doch in den letzten elf Jahren neun Unternehmen vorgestanden, die allesamt so endeten wie Delphi jetzt.

Neben den Werksschließungen will er von den Gewerkschaften auch noch die Zustimmung zu einer Lohnkürzung um 35% für den Zeitraum bis Herbst 2007 im Austausch für eine Einmalzahlung von 50 000 Dollar pro Arbeiter. So wie die Stimmung gegenwärtig bei den amerikanischen Industriearbeitern und ihren Gewerkschaften ist, kann es über solche üblen Provokationen durchaus zu einem großen Streik kommen, und dabei wird es nicht nur darum gehen, die Arbeitsplätze bei GM und Delphi zu erhalten, sondern vor allem um eine neue Industriepolitik in der Tradition Franklin Delano Roosevelts, wie sie von LaRouche schon seit langem gefordert wird.

Außerdem will Wagoner GM zerschlagen, was Kerkorian und seine Heuschreckenfreunde schon lange gefordert haben. Für die Finanz- und Immobiliensparte GMAC soll sich schon ein Käufer gefunden haben. Wenn dieser Prozeß so weitergeht, ist absehbar, daß es GM in den USA bald nicht mehr geben wird. Und in Deutschland?

Deutschland verschläft Diskussion um Konversion

Während es in den USA zahlreiche Initiativen aus den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Bereichen für eine Umrüstung (Konversion) der Autoindustrie gegeben hat und gibt, tritt in Deutschland die Diskussion auf der Stelle. Man freut sich darüber, wenn Werksschließungen "sozialverträglich" abgewickelt werden oder wenn man - wie bei AEG kürzlich - höhere Abfindungen erreichen kann, aber man käme niemals auf die Idee, für den Erhalt und Ausbau der Industrie, geschweige denn für eine Reindustrialisierung Deutschlands auf die Straße zu gehen. Die nachindustrielle Gehirnwäsche der letzten 40 Jahre hat wohl doch schwerwiegendere Schäden im Denken der Menschen angerichtet, als ohnehin zu befürchten war. Der grüne Virus hat alle Parteien von links bis rechts infiziert, und so finden sie keine Lösungen für die Krise, weil sie das, was notwendig wäre, aus ideologischer Verblendung nicht wollen. Und darüber herrscht nun bei unserer selbsternannten politischen Elite Konsens. Das ist politisch korrekt. Das hört man ja auch immer bei Sabine Christiansen, wo zwar jede Woche die "sprechenden Köpfe", aber nicht die Sprechblasen ausgetauscht werden!

Vor 40 Jahren hat man noch ganz anders gedacht. Als im Ruhrgebiet der Bergbau zurückgefahren werden mußte, weil andere Energierohstoffe wie Erdöl die Kohle verdrängten, überlegte man sich, welche andere Industrien man ansiedeln könnte. Damals wurde das Opelwerk in Bochum gebaut, gleichzeitig begann man mit dem Aufbau neuer Universitäten im gesamten Ruhrgebiet und errichtete so zahlreiche, vor allem auch industrielle Forschungszentren. Genauso muß man heute vorgehen, wenn man sieht, daß die Autoproduktion zurückgefahren werden muß, weil weltweit einfach zu viele Autos produziert werden.

Es gibt also zwei Möglichkeiten, wenn man eine weitere Deindustrialisierung verhindern will: Entweder rüstet man die Autowerke um und produziert Komponenten für neuartige Massenverkehrsmittel, für Kernkraftwerke oder andere Anlagen. Wenn das aus irgendwelchen Gründen nicht geht, kann man einfach auf den vielen Brachflächen im Ruhrgebiet neue Produktionsstätten errichten, so wie man seinerzeit statt Zechen das Opelwerk gebaut hat, und diese neue Industrien ziehen dann andere nach sich. Umrüstung bzw. Reindustrialisierung ist die einzige Alternative zu der zerstörerischen Politik der heutigen Managergeneration, wie sie Rick Wagoner oder Demant verkörpern, die das Gemeinwohl vollkommen aus den Augen verloren haben. Das einzige Rezept bei scheinbarer mangelnder Gewinnträchtigkeit (aus der Sicht der Heuschrecke) besteht für diese Leute darin, Mitarbeiter zu entlassen, Löhne massiv zu senken und am Ende das Werk dann doch zu schließen und damit wichtige Industriekapazitäten zu zerstören. Mit solchen Leuten ist kein Staat zu machen.

Amerikanische Gewerkschaftler gehen ganz anders dagegen vor als ihre deutschen Kollegen - mutiger und forscher. Mark Sweazy, Mitglied im Gesamtbetriebsrat und zuständig für 21 Delphiwerke fuhr zum Beispiel mit 150 Gewerkschaftlern nach Washington, um dort gewaltig "auf den Bus(c)h zu klopfen" und die Politiker für die Probleme der Autoindustrie und der dort beschäftigten Arbeiter wachzurütteln. Es ging ihnen aber nicht nur darum, auf den drohenden Verlust ihrer Pensionsansprüche u.ä. hinzuweisen, sondern sie versuchten vor allem, den Politikern klarzumachen, welche Folgen es für Amerika hat, wenn man immer mehr Industrie zerstört und auslagert.

Im Moment setzt sich Sweazy für eine höhere Auslastung der Delphiwerke ein. Durch Auslagerung nach Asien und Mexiko und wegen der Schließungspolitik der Konzernleitung gibt es jetzt in fast jedem Werk reichlich Platz, an dem nicht notwendigerweise Autoteile produziert werden müssen. Sweazy meint dazu: "Wir können Komponenten für alles mögliche herstellen, ob es nun Komponenten für Eisenbahnwaggons sind oder Schlösser für Sicherheitssysteme. Es ist absolut nicht zwingend, daß wir Autoteile bauen ... Um unsere Werke wieder auszulasten, um unseren Werkzeugmaschinenbau zu erhalten, müssen wir weit über die Autoproduktion hinausdenken, und das ist unsere Herausforderung an den Kongreß. Wir warten jetzt auf eine Antwort, in der sie deutlich machen, daß sie das Problem und die Bedeutung erkannt haben, die Infrastrukturprojekte für einen wirklichen wirtschaftlichen Aufschwung nicht nur in der Autoindustrie, sondern für unsere gesamte Gesellschaft und unsere Wirtschaft insgesamt haben."

Genau eine solche Diskussion brauchen wir jetzt auch in Deutschland. Man darf sich gar nicht erst auf diese unsinnigen Diskussionen mit unfähigen Managern einlassen, sondern muß die Diskussion sofort in Richtung Reindustrialisierung lenken, auf einen produktiven Ausweg aus der Krise, dann verschwinden diese Manager von selbst, denn dazu haben sie nichts zu sagen.


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