April 2005:

General Motors am Abgrund? Was jetzt zu tun ist!

Infostand in Kaiserslautern
Mit der Krise beim amerikanischen Automobilbauer GM sind auch die Absprachen bei Opel fragwürdig geworden. Jetzt ist es an der Zeit, konkrete Schritte über eine wirkliche wirtschaftspolitische Wende zurück zur Industriegesellschaft in die Wege zu leiten. LaRouches Konzept der Eurasischen Landbrücke liefert dazu konkrete Anhaltspunkte.

Hier ein Infostand der BüSo in der "Opel-Stadt" Kaiserslautern.

Es scheint kaum vorstellbar zu sein, daß Unternehmen vom Schlage DaimlerChrysler, Siemens oder der Deutschen Telekom jemals unter der Last ihrer Schulden zusammenbrechen könnten. Doch nun ist das Unvorstellbare in greifbare Nähe gerückt - zumindest in den USA. General Motors, einer der größten privaten Schuldner der Welt, wird seit einigen Wochen an den Finanzmärkten wie ein "Ramsch"-Unternehmen behandelt, obwohl die Ratingagenturen die offizielle Ramsch-Einstufung aus Furcht vor den Konsequenzen noch gar nicht vollzogen haben.

Das Volumen ausstehender Anleihen und Kredite von General Motors beläuft sich auf 301 Mrd. Dollar, mithin auf das Dreifache des Betrages, für den Argentinien im Jahre 2001 die Zahlungsunfähigkeit erklärte. Allein 94 Mrd. Dollar an GM-Schulden müssen im Laufe des Jahres 2005 verlängert werden, weitere 64 Mrd. Dollar in den beiden folgenden Jahren. Die von den Investoren verlangte Risikoprämie für GM-Schuldentitel, ein Maß für die angenommene Wahrscheinlichkeit der Zahlungsunfähigkeit, erhöhte sich von rund 100 Basispunkten zu Beginn des vergangenen Jahres zunächst gemächlich auf 250 Basispunkte bis zum Februar 2005, um dann im März binnen weniger Tage auf über 500 Basispunkte hochzuschießen. Bei allen neuen Schuldenaufnahmen - es müssen beständig auslaufende Kredite und Anleihen durch neue ersetzt werden - muß GM demnach seinen Gläubigern 5,0% an Risikozinsen anbieten, und zwar zusätzlich zu dem jeweiligen Zinsniveau bei US-Staatsanleihen. Auch dieser Richtwert für sämtliche Zinsen langfristiger Schuldpapiere ist zuletzt kräftig angestiegen. So ist die Rendite 10-jähriger US-Regierungsanleihen von knapp 4,0% Mitte Februar im Verlaufe des März auf 4,6% geklettert.

Sollte die Entwicklung weiter eskalieren, dann werden die Märkte dem größten Automobilbauer der Welt schon in Kürze zweistellige Zinsraten abverlangen. GM müßte demnach zusätzlich zur Verlängerung der bestehenden Schuldenlast, was allein schon schwierig genug ist, weitere 30 Mrd. Dollar pro Jahr alleine an Zinsen aufbringen. Dies geschieht zu einem Zeitpunkt, an dem GM überhaupt keine Gewinne aufweisen kann und zuletzt sogar beträchtliche Verluste melden mußte. Das Unternehmen droht ein Opfer der üblichen Teufelsspirale zu werden, die aus der Logik privater Schuldenmärkte resultiert. Die Auswirkungen einer GM-Schieflage, sowohl auf die verbliebenen Reste der amerikanischen Industrie wie auf das internationale Finanzsystem, sind kaum absehbar.

Zinsschock bei Risikoanleihen

Schon am 16. und 22. März lösten neue Berichte zur Lage von GM finanzielle Schockwellen weltweit aus. Am 16. März verkündete GM den größten Quartalsverlust in 13 Jahren und gab zugleich einen äußerst pessimistischen Ausblick für das laufende Jahr. So werde der Gewinn im Jahre 2005 wohl auf ein Fünftel des bislang versprochenen Wertes schrumpfen. Unmittelbar nach dieser Meldung brachen GM-Aktien um 14% ein und die Risikoprämie auf GM-Anleihen raste um 56 Basispunkte in die Höhe. Die Ratingagentur Standard & Poor's reagierte noch am gleichen Tage und stellte GM-Anleihen auf negative credit watch. Dies bedeutet nichts anderes als die sofortige Einleitung einer Überprüfung des GM-Ratings zwecks möglicher Abstufung. Aber jede weitere Abstufung würde die GM-Schulden offiziell in den Orkus der Ramschpapiere stoßen. Die großen Investmentfonds wären dann laut eigener Satzung gezwungen, sämtliche GM-Papiere aus ihrem Portfolio zu verbannen. Eine allgemeiner Ausverkauf wäre die Folge. Und wenn so etwas in naher Zukunft absehbar ist, dann verkaufen risikobewußte Investoren lieber schon heute.

Die Ereignisse vom 16. März blieben nicht auf GM beschränkt. Nicht nur die Anleihen anderer hochverschuldeter Unternehmen, etwa von Ford Motors, sondern auch die Regierungsschulden, Währungen und Aktienmärkte von Schwellenländern in Lateinamerika, Asien und Osteuropa kamen unter die Räder. Insgesamt hatten die historisch niedrigen Leitzinsen in den USA, aber auch in Europa und Japan, in den vergangenen Jahren zur Schaffung einer gewaltigen Finanzblase bei Risikoschulden aller Art geführt. Banken und spekulative Fonds nahmen, mehr oder weniger direkt, kurzfristige Schulden bei den Zentralbanken auf, um diese Liquidität sodann in höher verzinsliche Anlagen umzuleiten: Anleihen von Unternehmen und Regierungen mit zweit- oder drittklassigem Rating. Schon die sechs kleinen Zinserhöhungen der Federal Reserve - der Leitzins wurde dabei von 1,0% auf 2,5% erhöht - haben den Kapitalzufluß in diese "Carry Trade"-Blase ein wenig ins Stocken gebracht. Wenn jetzt aber auch noch einer der größten Brocken dieses Schuldenkasinos in Schwierigkeiten gerät, dann sind die Voraussetzungen für eine Panik erfüllt. Die Anleger laufen alle gleichzeitig zum Ausang, weil sie wissen, daß nur die ersten ihre Gewinne realisieren können, während die übrigen möglicherweise existenzbedrohende Verluste einfahren.

Am 18. März bemerkte Stephen Roach, der Chefökonom von Morgan Stanley, der 16. März 2005 markiere möglicherweise ein Schicksalsdatum für Amerika. An diesem Tage habe "die sprichwörtliche Glocke geläutet." Roach weiter: "Plötzlich hat sich die Aura der USA in einer zunehmend instabilen Welt völlig verändert. Das gleichzeitige Eintreffen eines rekordhohen Leistungsbilanzdefizits, eines Desasters bei General Motors und eines neuen Höhenflugs des Ölpreises künden allesamt von einer beständig anwachsenden Schieflage beim globalen Hegemon. Die Weltfinanzmärkte haben gerade erst begonnen, dies wahrzunehmen." Nach dem 11. September hätten die USA ihre militärischen Kapazitäten auf das Äußerste beansprucht, während exakt zum gleichen Zeitpunkt die wirtschaftliche Basis des Landes schwindet - "ein klassisches Zeichen für den Fall einer Großmacht."

LaRouche fordert Notprogramm

Die Querverbindungen des Automobilsektors mit technologisch hochwertigen Zulieferern, insbesondere im Werkzeugmaschinenbau, sowie die in diesem Bereich beschäftigten und hervorragend ausgebildeten Arbeitskräfte stellen, so Lyndon LaRouche, einen wirtschaftlichen Reichtum dar, der unbedingt zu schützen ist. Diese Ressourcen könnten beispielsweise einen entscheidenden Beitrag zum umfassenden Infrastruktur-Erneuerungsplan "Super-TVA" leisten, den LaRouche für die USA vorschlägt.

Er betonte daher am 24. März: "GM ist kritisch für den Bestand der industriellen Fähigkeiten der Vereinigten Staaten. Ohne diese Fähigkeiten kann diese Nation nicht überleben." Über Töchter im Ausland, wie Opel in Deutschland und Saab in Schweden, stellt GM darüber hinaus ein wichtiges Element der weltweiten Industrielandschaft dar.

Andererseits kann General Motors unter den gegebenen Bedingungen vermutlich nicht überleben. Genau im Gegensatz zu den Vorstellungen der Finanzwelt fordert LaRouche daher: "Wir müssen einen Rettungsplan entwerfen, um den industriellen Teil aufrechtzuerhalten", während den unter GMAC (General Motors Acceptance Corporation) laufenden Finanzoperationen des Konzerns keine Priorität eingeräumt werden dürfen. Ein Schwergewicht des Rettungsplans müsse bei der Anwendung und Entwicklung fortgeschrittener Transporttechnologien liegen.

Stattdessen verfolgt das GM-Management zur Zeit einen Selbstmordkurs. So sollen die Rabatte beim Kauf von Neuwagen, die jetzt schon bei rund 4 000 Dollar pro Pkw liegen, noch einmal um 500 bis 1 500 Dollar angehoben werden. Die Nullzins-Finanzierungen über Zeiträume von 60 Monaten - hier übernehmen die Automobilbauer zwecks Ankurbelung der Verkaufszahlen praktisch die Zinslast ihrer Kunden - bleiben bestehen.

Um die Wall Street gnädig zu stimmen, sollen entsprechend den Vorschlägen führender Investmentbanken eine Reihe von Produktionsstätten geschlossen, Arbeitskräfte abgebaut und das Lohnniveau gesenkt werden. Geholfen haben diese Ankündigungen nicht.

Am 22. März wurde bekannt, dass GE Capital, die mächtige Finanztochter von General Electric, ihre Kreditlinie an GM in Höhe von 2 Mrd. Dollar aufkündigt. Ein erneuter Ausverkauf von GM-Anleihen, und erneute Erschütterungen auf den internationalen Anleihemärkten, von Brasilien über die Türkei bis Indonesien, waren die unmittelbare Folge. Zwei Tage später veröffentlichte die US-Investmentbank Merril Lynch einen Bericht, der die Ramsch-Einstufung des nicht durch andere Wertgegenstände abgesicherten Teils der GM-Schulden innerhalb der nächsten drei Monate als unvermeidlich bezeichnete. "Die Abstufung von insgesamt 200 Mrd. Dollar an ungesicherten Schulden auf Ramsch-Niveau wäre ein bespielloser Vorgang auf den Kapitalmärkten und die Anleger können sich auf eine 'holprige Fahrt' gefaßt machen." Die "Erosion" der finanziellen Position von General Motors sei "nicht reversibel."


Zurück zur Wirtschaft-Hauptseite: