Dezember 2005:

Beeindruckende Lektion in Staatskunst

LaRouche spricht auf Jahresend-Seminar in Mainz
Wie die gegenwärtige Systemkrise, die schon längst auch hier in Europa zu einer schweren politischen Krise geführt hat, überwunden werden kann, und welche Rolle vor allem Deutschland in einer unerläßlichen neuen transatlantischen Allianz dabei spielen muß, erläuterte Lyndon LaRouche Ende Dezember bei einem zweitägigen Seminar in Mainz, zu der der BüSo-Landesverband Rheinland-Pfalz und die LaRouche-Jugendbewegung einluden.

Im Bild Lyndon LaRouche auf dem Podium während seiner Rede. - Hartmut Cramer berichtet.

Auf einem Seminar des deutschen Zweigs der LaRouche-Jugendbewegung (LYM) und der BüSo am 29. und 30. Dezember hielt der amerikanische Oppositionspolitiker Lyndon LaRouche einen Vortrag über die gegenwärtigen Aussichten der transatlantischen Beziehungen, dem sich eine ebenso lange wie lebhafte Diskussion anschloß. Da es natürlich unmöglich ist, den ganzen Ablauf des zweitägigen Seminars angemessen wiederzugeben, seien hier die wichtigsten Gedanken, die LaRouche in seinem Vortrag und im Laufe der intensiven Diskussionen vorstellte, zusammenfassend dargestellt.

Die europäische Zivilisation hat vor allem drei kulturell-historische Bezugspunkte: 1. das antike Griechenland von den Pythagoräern bis Platon, 2. die europäische Renaissance des 15. Jahrhunderts und 3. den Westfälischen Frieden von 1648. Dies sind die tragenden Säulen der europäischen Zivilisation der Neuzeit. Von Anfang an versuchten oligarchische Kräfte, die Todfeinde dieser kulturellen und politischen Prinzipien, über das Finanz- und Währungssystem des Monetarismus die europäische Zivilisation zu beherrschen, was ihnen auch weitgehend gelang. Bis heute sind die Europäer in ihrem allgemeinen gesellschaftlichen Verhalten noch keine wahren Staatsbürger. Sie passen sich eher dem Gedanken einer Oligarchie oder vergleichbaren Ordnung an, auch wenn sie selbst keine Oligarchen sind.

Gegen diesen oligarchischen Einfluß wurden seinerzeit die Vereinigten Staaten von Amerika gegründet. Dort wird seit 1789 bis heute darum gekämpft, die USA selbst vom Einfluß des europäischen Oligarchismus und Monetarismus - für den die Bank von England oder die Europäische Zentralbank (EZB) typisch sind - zu befreien. Die europäischen Intellektuellen, die die Amerikanische Revolution unterstützten, wollten die Grundsätze der USA und ihrer Verfassung, die den Grundgedanken der europäischen Kultur entsprachen, dann auch in Europa aufgreifen und so ein von Monetarismus und Oligarchie freies Europa schaffen. Leider scheiterte die Strategie, dies im Zuge der Französischen Revolution zu erreichen.

Heute, nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, gibt es auf der Welt nur noch zwei Gesellschaftssysteme von Bedeutung, die um die Vorherrschaft ringen. Das eine ist das Amerikanische System, beispielhaft verkörpert dadurch, wie die US-Wirtschaft unter Franklin D. Roosevelt nach der Großen Depression durch staatliche Kreditschöpfung für Kapitalbildung und produktive Beschäftigung wiederbelebt wurde. Im Amerikanischen System bestimmt laut US-Verfassung nicht das Geld die Politik: Geld hat keinen Wert an sich. Das andere System ist das anglo-holländische liberale System, das heute noch die europäischen Regierungen beherrscht. De facto untersteht jede europäische Regierung der Aufsicht und Lenkung eines Konglomerats privater Finanzinteressen, das sich Zentralbanksystem nennt.

Ohne massive Kreditschöpfung des Staates als Grundlage für die Kapitalbildung zur Steigerung der produktiven Beschäftigung besteht keine Hoffnung, irgendeinen Teil Europas zu retten. Deshalb ist die Abschaffung des Euro heute eine der herausragenden Fragen in Deutschland. Solange der Euro in seiner gegenwärtigen Form weiterbesteht, hat Deutschland keine Chance. Das gilt aber genauso für alle anderen Teile Europas, solange das System der Europäischen Zentralbank (EZB) existiert. Die Lösung besteht darin, daß Deutschland Kredit schöpft und gezielt als Staatskredit einsetzt, um damit neue Arbeitsplätze in produktiven Bereichen zu schaffen. In Deutschland wie in Frankreich ist noch das physische Potential für einen Wirtschaftsaufschwung vorhanden. Das ganze westliche Kontinentaleuropa ist auf die deutsche Volkswirtschaft angewiesen. Ohne sie ist eine allgemeine wirtschaftliche Erholung in Kontinentaleuropa unmöglich.

Die Zusammenarbeit der deutschen Wirtschaft mit Rußland ist entscheidend für eine allseitige Arbeitsteilung auf dem eurasischen Kontinent. Der Weg zur Zusammenarbeit geht über Deutschland nach Moskau, China und Indien. Dies ist eine Perspektive für die nächsten 50 Jahre, d.h. die entsprechenden Projekte erfordern Investitionen für 50 Jahre in Infrastruktur und die Entwicklung neuer Technologien und neuartiger Rohstoffe.

LaRouche erwähnte als bedeutendes Beispiel hierfür, wie die Abhängigkeit vom Automobil mit Benzin- oder Dieselmotor beendet werden kann: "Wir werden das Wasserstoffahrzeug haben." Die Möglichkeiten zu dessen Entwicklung seien gegeben, die Forschung laufe auf Hochtouren - aber Voraussetzung dafür sei, daß man zur Kernenergie zurückkehrt. Nur mit einer Art Massenproduktion des Hochtemperaturreaktors (HTR) lasse sich der Wasserstoff für diese revolutionäre Veränderung der Verkehrstechnik erzeugen. Statt Erdöl und Ölprodukte über weite Entfernungen zu verschiffen, müßten vor Ort Brennstoffe auf Wasserstoffgrundlage erzeugt werden, wobei das Hauptabfallprodukt Wasser sei.

Das bedeutet ein Investitionsprogramm für 50 Jahre, d.h. Kapitalbudgets in Form von Staatskrediten mit Laufzeiten von 25-50 Jahren für den Aufbau umfassender Infrastruktur und Industrie, die voraussichtlich 50-60% der Gesamtinvestitionen in die Wirtschaft Eurasiens - und ebenso der Vereinigten Staaten - ausmachen werden. "Aber dazu braucht man politische Macht", betonte LaRouche. "Deshalb ist es unsere Sorge in den Vereinigten Staaten, daß Deutschland zum Wohle ganz Europas eine Regierung bekommt, die wirklich regieren kann - dank der Ablösung des Euro - , so daß es wieder eine wirkliche Nation wird." Franzosen und Briten müßten verstehen, daß die Aufrechterhaltung des erzwungenen Maastricht-Euro-Systems, das Deutschland erstickt, ein großer Fehler ist.

Lektion in Staatskunst

Wie vor allem die intensive Diskussion zeigte, in derem Verlauf LaRouche insbesondere von den jugendlichen Mitgliedern mit Fragen förmlich "gelöchert" wurde - wobei das Spektrum von allen Bereichen der Politik, Wirtschaft und Geschichte über Kunst, Moral und Ethik bis hin zu Philosophie und Religion reichte und damit so ziemlich alle heute relevanten gesellschaftlichen Probleme umfaßte - , waren die beiden Tage eine ebenso intensive wie einzigartige Lektion in Sachen Staatskunst.

Allerdings war das Besondere an dieser politischen "Lehrstunde", daß der sprichwörtliche "erhobene Zeigefinger" praktisch nicht zu sehen war, da LaRouche (bei aller nötigen, oft schockierenden Direktheit) pädagogisch vor allem mit Ironie, Metapher, Witz und Anregung arbeitet sowie mit kenntnisreichen und außerordentlich plastischen Ausflügen in den tatsächlichen Ablauf der Geschichte. Wenn das auch manchmal etwas mehr Zeit braucht, als in einer "normalen" Unterrichtsstunde zur Verfügung steht: Nur so kann der große universalgeschichtliche Gesamtzusammenhang verständlich werden, der wiederum die unerläßliche Voraussetzung dafür ist, daß ein Mensch, der sich als wahrhaft historisches Individuum versteht, im besten Leibnizschen Sinne eine (politisch wie persönlich) angemessene "Standortbestimmung" (analysis situ) vornehmen kann. Erst das schafft die Basis für ein kompetentes, effektives und aktuelles Eingreifen in die Geschichte - "Tagespolitik".

Die spannende Erläuterung dieses immer wieder - und jedesmal aus einem anderen Blickwinkel - dargestellten Gesamtzusammenhangs war mit der zwar impliziten, aber nichtsdestoweniger deutlichen Aufforderung zu effektivem politischen Handeln die eigentliche "Botschaft" dieses Seminars, wobei natürlich der "schnellstmögliche Rausschmiß von Cheney & Co." im Mittelpunkt stand.

Mozarts Ave verum und Beethovens C-Dur-Messe

Abgerundet wurde diese außerordentliche "Lehrstunde in Staatskunst" - wie könnte es anders sein - mit klassischer Kunst, in diesem Fall Musik. LaRouches Jugendbewegung, die sich bekanntlich bei ihren öffentlichen politischen Auftritten auch durch mitreißende klassische Gesangseinlagen auszeichnet, die von Bach-Motetten bis zu afroamerikanischen Spirituals reichen, arbeitete in einem abendlichen Workshop an Mozarts Ave verum corpus. Die Wiedergabe dieses kurzen, aber außerordentlich empfindsamen Stücks - eine der letzten Kompositionen Mozarts - verlangt neben hoher Gesangskunst und Intonationssicherheit ein besonders intensives "Aufeinanderhören" der Musiker. Beim abschließenden Vortrag, bei dem wie vom Komponisten verlangt, ein Streichquartett die Sänger begleitete, waren die bei diesem Stück inzwischen erarbeiteten Fortschritte deutlich zu hören. Außerdem zeigte eine Auswahl der "gestandenen" Mitglieder der europäischen LaRouche-Bewegung anhand des Agnus Dei aus Beethovens Messe in C-Dur, daß die Chor- und Orchesterarbeit nach wie vor intensiv gepflegt wird. Die Ernsthaftigkeit, mit der sich die Musiker - durchweg Laien, die außerdem viel zu selten Zeit zum gemeinsamen Proben finden - mit dieser Beethoven-Messe auseinandersetzten, beeindruckte ebenso wie ihre sichtbare Freude, ein großes Werk der Weltliteratur mitzugestalten und nachzuerleben. In die Begeisterung, die anschließend bei Zuhörern und Musikern gleichermaßen herrschte, stimmte auch LaRouche ein, der es sich (natürlich) nicht nehmen ließ, dies musikalische "work in progress" von der ersten bis zur letzten Minute aufmerksam zu verfolgen.


Zurück zur Politik-Hauptseite: