Mai 1997:
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Völkermord-Komplize nicht nach Mainz!

Statt Ausladung kommt Diktator Kagame zur Jubiläumsfeier

Demonstration gegen Kabila in Mainz Mit zahlreichen Aktionen und einer Mahnwache in Mainz hat die Bürgerrechtsbewegung Solidarität einen politischen Skandal um die Einladung des ruandischen Diktators Kagame zu einem Festakt nach Mainz entfacht.

Seit Samstag, den 10. Mai, befindet sich die Bürgerrechtsbewegung Solidarität in einer außergewöhnlichen Mobilisierung, um den rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck (SPD) doch noch zur Vernunft zu bringen, damit er den Diktator aus Ruanda Paul Kagame von den Feiern zum 50jährigen Jubiläum des Landes wieder auslädt. Den Auftakt für die Mobilisierung bildete eine kleine, aber lautstarke und passionierte Demonstration durch die Mainzer Innenstadt. Neben Mitgliedern der Bürgerrechtsbewegung aus Rheinland-Pfalz und Hessen hatten sich auch Vertreter verschiedener afrikanischer Flüchtlings- und Oppositions-Gruppen aus den Ländern Ruanda, Burundi und Zaire, vor allem aus der Ostprovinz Kivu, der Demonstration angeschlossen. Die Demonstration bewegte sich am Theater in Mainz vorbei und endete mit einer Kundgebung auf dem Marktplatz. In Lautsprecherdurchsagen wurden die Mainzer darüber informiert, daß sie dank ihres Landesvaters Beck mit dem Diktator aus Ruanda die 50jährige demokratische Verfassung des Landes feiern sollten. Auf Flugblättern wurden sie aufgefordert, mit dem Büro des Ministerpräsidenten und des Oberbürgermeisters Kontakt aufzunehmen, um eine Ausladung zu erzwingen. Wie gebannt standen die Passanten am Straßenrand und vertieften sich sofort in die Lektüre des Flugblatts. Viele schüttelten ungläubig den Kopf in Unverständnis dessen, was sich die Landesregierung da geleistet hat.

Einige Studenten schlossen sich spontan dem Demonstrationszug an. Am Marktplatz hatten auch einige der afrikanischen Teilnehmer Gelegenheit, sich direkt an die Bürger von Mainz zu wenden. In ihren Stellungnahmen klang vor allem die Sorge durch, daß mit der Machtübernahme Kabilas in Zaire noch brutalere und totalitärere Verhältnisse bevorstünden, als sie jahrzehntelang unter Mobutu herrschten.

In der darauffolgenden Woche veranstaltete die BüSo jeden Tag eine Mahnwache in der Mainzer Innenstadt. Auch hier das gleiche Bild wie während der Demonstration am Samstag: Auf der einen Seite Unverständnis und Verwirrung über die Lage in Zentralafrika. Jeder hatte natürlich die Bilder der Nachrichtensendungen aus Ostzaire im Kopf. Viele waren dankbar für die Hintergrundinformationen aus der Neuen Solidarität, unserer Mitgliederzeitung und für die Gespräche mit den Mitgliedern der BüSo. Viele stimmten der Einschätzung zu, daß die Rohstoffkonzerne Mobutu fallengelassen hätten, um jetzt auf das "neue Pferd" Kabila zu setzen. Vor allem Schüler und Studenten reagierten sehr ernsthaft. Die meisten nahmen Materialien vom BüSo-Infotisch mit, um im Sozialkundeunterricht den Skandal von Mainz und die Lage in Afrika zur Sprache zu bringen.

Die häufigste an die Mitglieder der BüSo herangetragene Frage lautete: "Was kann ich tun?" Jeden Tag trugen sich etwa hundert Personen in die Liste der Unterzeichner ein, die an Ministerpräsident Beck die Forderung richten: "Laden Sie den Diktator Kagame wieder aus!" Viele wollten auch selbst mit der Staatskanzlei und dem Rathaus Kontakt aufnehmen, um ihre Empörung weiterzuleiten und Druck zu machen. Andere wiederum gaben ihre Anschrift und Telefonnummer, um mit der BüSo in Verbindung zu bleiben.

SPD-Mitglieder und Grüne zeigten sich besonders verunsichert. Ein arbeitsloser Chemiker, der erst letzte Woche in die SPD eingetreten war, kam an den Stand, um zu berichten, daß er mit dem BüSo-Flugblatt auf der SPD-Geschäftsstelle war. Als er keine Stellungnahme bekam, entschloß er sich kurzerhand, seine Mitgliedschaft wieder zu kündigen. Jeden Tag kamen auch Menschen wieder an den Stand zurück, die an den Tagen zuvor das Flugblatt bekommen und studiert hatten, um jetzt aktiv etwas zu tun.

Nach wenigen Tagen zeigte sich am Stand der Mahnwache, daß die Nachricht von der BüSo-Aktion jede Pore des politischen Lebens der Landeshauptstadt erreicht hatte. Das Flugblatt zirkulierte im Rathaus, in den Landesämtern, bei den Stellen der katholischen und evangelischen Kirche. Nach einigen Tagen kam auch ein früherer Dekan der evangelischen Kirche Mainz an den Stand. Seine Hauptfrage: "Sagen Sie auch etwas zum Genozid der Hutu-Milizen in Ruanda vor zwei Jahren?" Es entwickelte sich ein längeres Gespräch, welches in der Übereinstimmung endete, daß jetzt alles getan werden müsse, um den Teufelskreis von Gewalt und Gegengewalt zu durchbrechen.

Ein Würdenträger der katholischen Kirche bestätigte, daß es, angeregt durch die Aktion der BüSo, mehrere kirchliche Sondersitzungen zum Thema Ostafrika und Kagame-Einladung gegeben habe.

Zu Beginn der BüSo-Aktion war selbst den Lokal- und Landesredakteuren der Tageszeitungen und des SWF nichts von der Kagame-Einladung bekannt. Die Demonstration der BüSo hatten die Lokalzeitungen noch mit keinem Wort für würdig befunden. Aber eine Woche Mahnwache in Mainz und die Verschickung zahlreicher Erklärungen und Telefonanrufe führten dann doch dazu, daß ein Journalist der Mainzer Allgemeinen Zeitung am Stand erschien. Ergebnis war ein Artikel vom 16. Mai, der die wichtigsten Fakten korrekt wiedergab.

Gespaltene Reaktionen der Politiker

Die Straßenmobilisierung wurde ergänzt durch eine breite Anruf-Kampagne an Landtagsabgeordnete und Stadträte in Mainz und anderen rheinland-pfälzischen Städten. Bis auf wenige Ausnahmen war allgemein die Tatsache der Kagame-Einladung unbekannt. Die Reaktionen der gewählten Vertreter reichte von völligem Desinteresse bis hin zur Bereitschaft zum Handeln. In einem Fall gab es das Angebot zur Kooperation, um eine Klärung des Skandals zu erreichen. In negativer Hinsicht schoß ein CDU-Abgeordneter den Vogel ab, der erklärte: "Ich habe kein Problem, Kagame zu treffen, ich habe auch schon Pol Pot [Massenmörder aus Kambodscha, Führer der Roten Khmer, d.Red.] die Hand geschüttelt..." Auf alle Fälle hat es auf vielen Ebenen Sondersitzungen von Fraktionen, Gruppen und Parteigremien gegeben.

Nach über einer Woche effektiver Mobilisierung war jedoch immer noch keine Antwort von der Mainzer Staatskanzlei bei der BüSo eingegangen. Immer noch gab es von seiten der Landesregierung kein Anzeichen für die Bereitschaft, den verhängnisvollen Fehler zu korrigieren. Frau Leffek vom BüSo-Bundesvorstand und Herr Djamba, ein Vertreter einer zairischen Oppositionsgruppe, entschlossen sich daraufhin, persönlich bei der Staatskanzlei vorzusprechen. Es kam zu einem Eklat, der Sorge über den Gemütszustand des Ministerpräsidenten aufkommen läßt. Zufällig trafen Frau Leffek und Herr Djamba Herrn Beck an der Pforte der Kanzlei. Sie konnten ihm so die Unterlagen und Eingaben der BüSo persönlich übergeben und ihn auf die Kagame-Frage ansprechen. Als Beck nachfragte, wer die Bürgerrechtsbewegung sei und dann der Name der Bundesvorsitzenden Helga Zepp-LaRouche erwähnt wurde, rastete er geradezu aus. Vor den Augen der verdutzten Sicherheitskräfte schleuderte Beck die Unterlagen von sich und verwies Frau Leffek und Herrn Djamba aus der Kanzlei. Dabei ließ er sich zu wütenden und unverschämten Verleumdungen gegen Frau Zepp-LaRouche und die Bürgerrechtsbewegung Solidarität hinreißen. Er bezeichnete die BüSo u.a. als "rechtsradikal".

Welcher Teufel Herrn Beck auch geritten haben mag, die Mobilisierung der BüSo hat einen rohen Nerv bei Teilen der politischen Klasse in Deutschland getroffen. Einige spüren zumindest, daß sie wieder einmal politische Glaubwürdigkeit verspielen. Die BüSo hat die Ernsthaftigkeit ihres Engagements inzwischen auch dadurch unterstrichen, daß sie sich in Schreiben an die Justizminister des Bundes und des Landes Rheinland-Pfalz gewendet hat, um eine Verhaftung des ruandischen Diktators während seines Mainz-Besuches zu erwirken. "Gerade im Lichte der besonderen Geschichte Deutschlands halten wir es - angesichts dieser gravierenden Vorwürfe des Völkermords und der Verbrechen gegen die Menschlichkeit - für erforderlich, höchste Sensibilität darin zu zeigen, wer zu einem Festakt nach Deutschland eingeladen wird. Wir bitten Sie, die Möglichkeit juristischen Einschreitens gegen den Besuch Kagames zu prüfen", heißt es in dem Schreiben.

Herr Kagame gehört während des Festakts im Mainzer Schloß nicht auf die Ehrenloge und auch nicht in die erste Reihe der Ehrengäste während des Festgottesdienstes im Mainzer Dom. Er gehört vielmehr vor ein Kriegsverbrecher-Tribunal.


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