Oktober 2004:

Globalisierung als Kuhhandel

Verteilaktion vor Opel-Kaiserslautern
Nicht die "zu teuren" Arbeitskräfte in deutschen Werken sind der Grund für Produktionsverlegung nach Polen, sondern es steckt ein Rüstungsgeschäft dahinter!

Hier eine Flugblatt-Verteilaktion der BüSo vor dem Betriebsgelände des Opel-Werks in Kaiserslautern. Frank Müchler berichtet.

Gerade aus den Vorstandsetagen der großen Unternehmen und Banken, die eigentlich mehr durch Mißmanagement mit Verlusten in Milliardenhöhe in die Schlagzeilen geraten sind, als etwa durch kluge Betriebsführung, kommen immer dieselben neoliberalen Platitüden, der Standort Deutschland sei nicht wettbewerbsfähig, die Lohnkosten zu hoch, die Ferien zu lang etc. Wie verlogen diese ganze Argumentation ist und was die wahren Beweggründe für "Auslagerung" sind, wurde jetzt am Beispiel Opel deutlich.

Im Gefolge der Radikalisierung der Siemens- und DaimlerChrysler-Vorstände meldete sich auf einmal auch der Präsident von General Motors, Carl Peter Forster, zu Wort und erklärte, es werde in Zukunft bei Opel keine Arbeitsplatzgarantien mehr geben. Danach bekräftigte er seine Kritik an den hohen Arbeitskosten in Deutschland und jammerte, daß Opel damit nicht wettbewerbsfähig sei. Das "ungünstigste" Werk in Europa produziere doppelt so teuer wie das "beste". Um die Kosten zu senken, habe er keine dogmatischen Vorstellungen, aber man könnte ja auf Tariferhöhungen verzichten und länger arbeiten. Welch neue und undogmatische Vorschläge, Herr Forster!

Wir können uns alle noch genau daran erinnern, was die Manager bei Opel unter dem "besten" Werk verstanden, als Herr Lopez seine Krankheit bei Opel verbreitete, bis die Arbeiter sich weigerten, diese Autos noch zusammenzubauen, bei denen es fraglich war, ob sie das Werk überhaupt intakt verlassen würden, weil ihre Bauteile aus allen möglichen Billiglohnländern der Welt irgendwie nicht zusammenpaßten.

Der Ton verschärft sich

Dietmar Hahn, Betriebsratschef der Bochumer Opelwerke, sieht jetzt sogar deutliche Anzeichen für eine gezielte Absprache zwischen den deutschen Automobilunternehmen, sozusagen eine konzertierte Aktion. Bei den Verhandlungen um einen Standortsicherungsvertrag bei Opel habe sich der Ton plötzlich geändert, die Geschäftsleitung wolle sich offensichtlich aus diesen Gesprächen zurückziehen.

Aber noch etwas anderes spielt eine entscheidende Rolle, und das hat zunächst einmal gar nichts mit Opel oder der Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Standorts zu tun. Es geht um die sogenannten Offset-Geschäfte, die vorrangig bei Rüstungsgeschäften vorkommen. Dabei erhält nicht den Zuschlag, wer die ausgereifteste Technik hat oder das günstigste Angebot unterbreitet, sondern wer der jeweiligen Regierung zusätzlich das attraktivste Gegengeschäft bieten kann. Früher nannte man so etwas Kuhhandel. Als normal wird inzwischen angesehen, daß derjenige, der die Ausschreibung gewinnen will, mindestens 200% der Auftragssumme wieder in dem Land, das als Käufer auftritt, investiert. Soviel zum Thema "freier Markt". Hinzu kommt, daß gerade bei Rüstungsgeschäften viele Interessen aus Politik, Wirtschaft und Militär miteinander verwoben sind. Für die Käuferländer hat das den Vorteil, daß sie die "umstrittenen" Rüstungsgeschäfte moralisch rechtfertigen können, etwa mit neugeschaffenen Arbeitsplätzen durch die so "ausgehandelten" Investitionen.

So hat nun also Polen 48 F-16-Kampfflugzeuge im Wert von 3,5 Mrd. Dollar bei Lockheed Martin geordert und sich den Auftrag mit Gegengeschäften im Wert von 6 Mrd. Dollar versüßen lassen. Das heißt, die Amerikaner haben sich im Gegenzug verpflichtet, für 6 Mrd. Dollar Waren zu kaufen oder sich an polnischen Technologieprojekten (im wesentlichen im Computerbereich) zu beteiligen.

Bestandteil dieser Vereinbarung, des sogenannten Offset-Geschäfts, waren auch amerikanische Direktinvestitionen in Polen im Milliardenbereich. Um diese zu erfüllen, hat Lockheed Martin, so berichtete die Financial Times, über seinen Großkunden General Motors für Kompensation gesorgt, der nun Teile der Fertigung des Opel Zafira in das Werk Gleiwitz verlegt hat. Um die Produktion des Zafira hatte sich sowohl das Opel-Stammwerk in Rüsselsheim als auch der Standort Bochum, wo der Zafira bereits produziert wird, beworben, weil beide Standorte nicht ausgelastet sind.

Kuhhandel aufgeflogen

Solche Offset-Geschäfte werden normalerweise eher heimlich getätigt. Dieses kam auch nur an die Öffentlichkeit, weil die amerikanische Seite zunächst ihre Versprechen in bezug auf die Direktinvestitionen nicht eingelöst hatte. Die andere Seite der Medaille ist nämlich auch, daß durch diese Kompensationsgeschäfte in Amerika jährlich Tausende von Arbeitsplätzen verloren gehen, weshalb man in den USA diese Art von Geschäften nicht so gerne sieht. Handelt es sich um einen multinationalen Konzern wie General Motors, können durch diese Geschäfte auch andere, am Ursprungsgeschäft gar nicht beteiligte Länder - in diesem Falle Deutschland - in Mitleidenschaft gezogen werden. Das ist jetzt bei Opel geschehen.

Als die Opel-Arbeiter und -Betriebsräte dann im ARD-Magazin Monitor mitbekamen, wie der stellvertretende polnische Verteidigungsminister Zemke Druck auf die Amerikaner ausübte, war ihnen klar, warum in Deutschland vom Opel-Vorstand keine Arbeitsplatzgarantien mehr gegeben werden. Zemke sagte: "Ohne das Kompensationsgeschäft im Rahmen der Rüstungsbeschaffung wäre die Produktion des Opel Zafira nicht von Deutschland nach Polen verlagert worden. Wir rechnen damit, daß dadurch bis zu 4000 Menschen in Polen Arbeit finden werden."

Wenn also demnächst wieder mit Auslagerung von Arbeitsplätzen gedroht wird, sollte man zuerst einmal hinterfragen, welche Art von Geschäften hier wieder gelaufen ist, ehe man mit freiwilligen Lohnsenkungen und ähnlichem dem Vorstand "entgegenkommt". Vielleicht will man Arbeitsplätze retten, die schon längst verlagert worden sind. Wie sagte Opel-Betriebsrat Dietmar Hahn in Bochum: "Selbst wenn wir Geld mitgebracht hätten, hätten wir nicht die volle Produktion


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