Juni 1999:
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Landesfest gerät zum Debakel für Beck

Aufbauhilfe in Bosnien-Herzegowina Ministerpräsident Kurt Beck ruinierte die Feierlichkeiten zum 50jährigen Bestehen des demokratischen Bundeslandes Rheinland-Pfalz, indem er den Massenmörder Kagame in Mainz als Ehrengast empfing.

Im Bild: Was bringt Beck dazu, sich mit dem Massenmörder Kagame zu treffen, während Vertreter von ruandischen Hilfsorganisationen nicht geladen wurden? - Normalerweise verfolgt eine solche "Geheimdiplomatie (s.u.)" wirtschaftliche Interessen.

Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) hat am vergangenen Wochenende trotz massiver Proteste Seite an Seite mit dem ruandischen Diktator Paul Kagame und dessen 30köpfiger Delegation das Landesfest zum 50jährigen Verfassungstag von Rheinland-Pfalz begangen. Damit hat er ein diplomatisches und moralisches Debakel angerichtet, das mit Sicherheit in der Geschichte des Bundeslandes beispiellos ist und dessen Konsequenzen noch nicht abzusehen sind. Beck hat mit seiner selbstherrlichen, starrköpfigen Weigerung, die Forderung der Bürgerrechtsbewegung Solidarität (BüSo) nach Ausladung von Kagame zu erfüllen, das Landesfest für alle Beteiligten zu einer peinlichen Farce gemacht.

Diese Haltung stellt eine einzige moralische Bankrotterklärung der Landesregierung dar. Der 50. Jahrestag der Gründung des Bundeslandes Rheinland-Pfalz wird dank Beck, inmitten eines der größten Völkermorde dieses Jahrhunderts, mit dem unauslöschlichen Makel der Kagame-Einladung besudelt in die Geschichte eingehen. Beck hat zahllose Vertreter der Kirchen, des Landesparlaments, der Sicherheitskräfte des Landes und andere gewählte Vertreter brüskiert. Nicht zuletzt wurden die Bürger des Landes, ja selbst die Mitglieder seiner eigenen Regierung vor vollendete Tatsachen gestellt, die mit gesundem Menschenverstand von niemandem nachvollziehbar sind.

Da ist zum Beispiel die Tatsache, daß der Kagame-Besuch im Stile einer "Geheimdiplomatie" durchgezogen werden sollte. Genaue Informationen über die Mitglieder der ominösen "Ruanda-Delegation" beim Landesfest wurden mühsam erfragt und widerwillig herausgegeben. Erst die Mobilisierung der BüSo begann die Medien, Abgeordnete, die Vertreter der Kirchen und die Bevölkerung zu sensibilisieren. Bis zuletzt tappten sie alle im Dunkeln über die Besetzung der Delegation.

Und da ist zum anderen die Tatsache, daß die 30köpfige Delegation - die Landesregierung hatte mit nur 15 Personen gerechnet - wohl ausschließlich aus der Entourage, also Sicherheitsleuten des Verteidigungsministers bestand. Kirchliche Vertreter, Vertreter von Hilfsprojekten, die das Land Rheinland-Pfalz in den letzten 15 Jahren gefördert hatte, waren offenbar nicht eingeladen!

Tägliche Demonstrationen

Als klar wurde, daß Beck die Bedenken und die Proteste beiseite fegen würde, eskalierte die BüSo ihre Mobilisierung. Am Samstag gab es eine zweite Demonstration durch die Mainzer Innenstadt, an der diesmal Afrikaner aus Ruanda, Zaire und Burundi aus dem ganzen Bundesgebiet teilnahmen. Die Polizei hatte Anweisung von Innenminister Zuber und der Staatsanwaltschaft, jede Erwähnung von Kagame im Zusammenhang mit dem Völkermord in Ostzaire von den Plakaten und Bannern zu entfernen. Am Abend wurden die Gäste des ökumenischen Festgottesdienstes vor dem Hauptportal des Mainzer Doms von einer großen Mahnwache begrüßt. Eisiges Schweigen, aber auch peinliche Berührtheit schlug den Demonstranten entgegen. Die Mitglieder der beiden Chöre waren schockiert zu erfahren, für wen sie hier unter anderen singen sollten. Der hintere Eingang des Doms wurde weiträumig abgeschirmt. Die ruandesischen Demonstranten wurden recht rüde und unter Androhung rechtlicher Konsequenzen an den Seiteneingang abgedrängt. So stellte die Landesregierung sicher, daß ihre "Ehrengäste" an den Haupteingang herangefahren werden konnten, ohne etwas von der Demonstration und massiven Polizeipräsenz zu sehen.

Am Rande des Gottesdienstes kam es dann zu jenem Zwischenfall, den die Bild-Zeitung unter der Überschrift "Skandal im Mainzer Dom" beschrieb: "In dem Gotteshaus kam es zu Tumulten und Handgreiflichkeiten. Ein Mann wurde an den Haaren aus der Kirche gezerrt. Sogar Umweltministerin Martini (SPD) wurde unsanft aus der Kirchenbank gedrängt..." Dies geschah unter den Augen von Carola Stein, der Ruanda-Beauftragten der Landesregierung, die die Mitverantwortung dafür trägt, daß dem Diktator die "Unbedenklichkeits-Bescheinigung" ausgestellt wurde.

Der Skandal geht weiter

Der Zwischenfall wirft ein bezeichnendes Licht auf die Lage in Ruanda und das Rechtsverständnis und Vorgehen der neuen Machthaber. Der Mann, der aus dem Dom gezerrt wurde, gehörte offenbar zur Opposition. Unter unflätigen Beschimpfungen durch die Jubel-Tutsis der Kagame-Truppe wurde er bedroht. Die Sicherheitskräfte aus Ruanda, denen die Erlaubnis gegeben wurde, mit Waffen und unter sichtbarem Tragen von Schlagstöcken in und um den Dom zu patrouillieren und zu agieren, sagten ihm wortwörtlich: "Wenn du glaubst, daß du hier in Deutschland in Sicherheit bist, hast du dich getäuscht. Wir werden dich auch hier erwischen!"
Am nächsten Tag waren Mitglieder der BüSo auch am Mainzer Schloß mit einem Spalier von Plakaten beim offiziellen Festakt präsent. Kagame und Beck wurden vorsorglich bereits eine Dreivertelstunde vor Veranstaltungsbeginn ins Schloß chauffiert, um dem Protestspalier zu entgehen. Aber alle anderen Ehrengäste mußten hindurch, und fast alle nahmen das Flugblatt, das angesichts des Skandals den Rücktritt von Beck forderte. Diejenigen, die sich zu einem Kommentar bereit fanden, äußerten ausnahmslos totales Unverständnis über die Vorgänge dieses Festes.

In den nächsten Tagen hatte die Landesregierung Veranstaltungen organisiert, die offenbar den Schaden begrenzen sollten, den die Kagame-Einladung angerichtet hatte. Hierzu gehörte die Pressekonferenz am Dienstag, auf der Kagame die gegen ihn erhobenen Vorwürfe entkräften sollte. Die Regionalpresse sowie Reuters, AP, Neue Solidarität und Vertreter von Amnesty International erschienen. Der Diktator log in unglaublicher Unverfrorenheit das Blaue vom Himmel, als er nach der Rolle seiner Armee bei der sogenannten "Rebellion" und bei den Massakern an Hutu-Flüchtlingen in Ostzaire gefragt wurde. Kagames Antwort: "Ich weiß nicht, wo in Zaire Massaker passiert sein sollen. Ich habe keine Truppen in Zaire und deshalb mit diesen Dingen nichts zu tun."

Kein Wunder, daß die Vertreter der Regionalpresse und des SWF völlig fertig aus der Pressekonferenz kamen. Eine Journalistin des SWF sagte, dies sei die merkwürdigste Pressekonferenz gewesen, die sie jemals erlebt habe, und sie wisse nicht, was sie von all dem halten solle. Die Mainzer Allgemeine Zeitung schrieb bezeichnend: "Kagame bestreitet Beteiligung an Massakern. Gespannte Atmosphäre bei Besuch." Der Artikel verweist auch auf die vielen Ungereimtheiten und "protokollarisch schwierigen Situationen", die während des Besuchs entstanden waren, u.a. auf die hohen Ansprüche, die an die Limousine und die Ausstattung mit Telefonen gestellt worden seien. Und es wird auf die zerschlagenen Möbel verwiesen, die der Besuch der Kagame-Truppe im Gästehaus der Landesregierung hinterließ.

Der Skandal von Mainz wird also mit Sicherheit mehr als ein Nachspiel haben. Die CDU-Landtagsfraktion hat bereits eine Landtags-Anfrage angekündigt. Hier soll neben der diplomatischen auch die finanzielle Seite angesprochen werden.

Die BüSo hingegen wird alles tun, damit der eigentliche Skandal nicht aus den Augen verloren wird: In Ostafrika passiert ein Völkermord, der an Ausmaß und Intensität weit über die Verbrechen des Balkankriegs hinausgeht. Die Bundesregierung sowie andere Regierungen in Europa schauen untätig auf eine Katastrophe, die entschlossenes Handeln erforderte. Und eine Landesregierung in Deutschland hat die Stirn, einen Machthaber mit einem offiziellen Staatsempfang zu ehren, der nachweislich an diesem Völkermord beteiligt ist!

Die BüSo hat sich verpflichtet sicherzustellen, daß diese Krise zu einer völligen Veränderung der Afrika-Politik von seiten der westlichen Industrienationen genutzt wird.


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