Februar 2006:

Ungehaltene Nachrede auf Alan Greenspan

GröFAZ - Größte Finanzblase aller Zeiten
Greenspan hat sich immer eindeutig als Knecht der Finanzmärkte gezeigt, indem er bei Liquiditätsengpässen stets unverzüglich dem Ruf nach zusätzlichen Liquiditätsspritzen zur kurzfristigen Bewältigung der Krise nachkam.

Wirtschftsredaktuer Lothar Komp gibt eine Nachrede zum Abgang Alan Greenspans.

Es ist soweit. Der "Magier" Alan Greenspan ist nach 19jähriger Amtszeit als Vorsitzender der Federal Reserve abgetreten. Seit dem 1. Februar ist "Helikopter-Ben" S. Bernanke sein Nachfolger. Zu den vielen Mythen, die sich um Greenspans Person und Handlungsweisen ranken, zählt vor allem die Behauptung, er habe dank seines besonderen Gespürs oder irgendeiner Art geheimen Wissens das amerikanische Finanzsystem mehrfach vor dem Untergang gerettet und alle Welt müsse ihm dafür äußerst dankbar sein.

Tatsächlich liegen die Dinge ganz einfach. Immer dann, wenn sich finanzielle Krisen zuspitzten, angefangen mit dem Aktiencrash vom Oktober 1987 über die finanziellen Stürme der Jahre 1997 und 1998 ("Asien-Krise, die Zahlungsunfähigkeit Rußlands, der Zusammenbruch des Hedgefonds LTCM) bis hin zur Implosion der New Economy-Blase an den Aktienmärkten und der anschließenden Bildung neuer Blasen bei Immobilien und Finanzderivaten, hat sich Greenspan stets in eindeutiger Weise als Büttel der Finanzmärkte erwiesen. Immer wieder erhörte er unverzüglich den Ruf nach zusätzlichen Liquiditätsspritzen zur kurzfristigen Krisenbewältigung, auch wenn er damit den langfristigen Schaden vervielfachte.

Ein klassisches Beispiel hierfür ist Greenspans Umgang mit der New Economy. Er selbst verhalf diesem Begriff zu allgemeiner Popularität, als er im Juli 1996 in einer Rede vor dem amerikanischen Kongreß die Technologiesprünge in der Informationsverarbeitung hochjubelte. Dadurch sei die amerikanische Wirtschaft in den Genuß derart rasanter Produktivitätssteigerungen gekommen, daß der traditionelle Zusammenhang zwischen Boomphasen und Preisinflation keine Gültigkeit mehr besitze. Für die Investoren an den Aktienmärkten lautete die Botschaft, die Federal Reserve habe nun keine Veranlassung mehr, mit Zinserhöhungen störend einzugreifen, und die Party an den Börsen könne daher unbegrenzt fortdauern.

Als die Kurse dann tatsächlich überschäumten, unternahm Greenspan im Dezember 1996 einen einmaligen Versuch, den "irrationalen Überschwang" an den Börsen, den er selbst mit Worten und reichlich Liquidität angefacht hatte, öffentlich anzusprechen. Man machte ihm aber schnell klar, daß es für eine Umkehr zu spät sei und ein Anstechen der Blase das gesamte System zum Absturz bringen könne.

Am 7. Mai 1998 hielt Greenspan eine aufsehenerregende Rede auf einer von der Chicagoer Federal Reserve veranstalteten Konferenz, bei der er das ganze Ausmaß an Ohnmacht der Zentralbanken gegenüber den Nöten und Wünschen der Finanzmärkte unter Beweis stellte. So habe man es heute mit einem völlig andersartigen Finanzsystem zu tun als in irgendwelchen früheren Zeiten. Greenspan weiter: "Diese globalen Finanzmärkte, angetrieben durch eine schnelle Verbreitung grenzüberschreitender Kapitalflüsse und Finanzinstrumente, haben eine Fähigkeit zur Transmission von Fehlern entwickelt, die sich mit erheblich größerer Geschwindigkeit durch das Finanzsystem ausbreiten als es früheren Generationen bekannt war." Folglich sei es eine vordringliche Aufgabe, zu verstehen, "wie dieses Hightech-Finanzsystem funktioniert. Insbesondere benötigen wir ein solches Verständnis, um die Wahrscheinlichkeit dafür zu minimieren, daß wir einer systemischen Erschütterung jenseits unserer Vorstellungskraft und unserer Möglichkeiten, wirkungsvoll zu reagieren, ausgesetzt werden." Man müsse sich die Frage stellen, ob wir in der Lage sein werden zu lernen, "unser ins Kraut schießendes, manchmal frenetisches, neues Weltfinanzsystem zu stabilisieren". Die größere Hebelwirkung moderner Finanzinstrumente habe zur Ausweitung der Liquidität an den Märkten erheblich beigetragen. Aber: "Wie ich betonte, aufgrund dieser Hebelwirkung wird es immer die Möglichkeit einer mehr oder weniger wahrscheinlichen Kettenreaktion geben, einer kaskadierenden Abfolge von Zusammenbrüchen, die in einer finanziellen Implosion kulminiert, sofern ihr nicht Einhalt geboten werden kann."

Unter dem Vorwand der angeblich drohenden "Y2K"-Katastrophe - dem chaotischen Verhalten von Handelscomputern beim Übergang zum Jahr 2000 - ließ Greenspan im Jahre 1999 die Zentralbankgeldmenge enorm ausweiten und verhalf der New Economy-Blase damit zu einem letzten, atemberaubenden Höhenflug. Als dann seit dem Frühling 2000 der Mythos der New Economy in sich zusammenbrach, pumpte Greenspan noch mehr Geld ins Finanzsystem als jemals zuvor. Die kurzfristigen Zinsen wurden von 6,5 % auf 1,0 % abgesenkt und insgesamt eine neue Finanzblase geschaffen, deren Bedrohungspotential, sowohl für das Finanzsystem wie die Realwirtschaft, das der geplatzten Aktienmarktblase noch deutlich übertrifft: Die explosionsartige Ausweitung der Hypothekenschulden der privaten Haushalte, einstweilen abgestützt durch eine spekulative Inflationierung der Häuserpreise und historisch niedrige Hypothekenzinsen. Inzwischen produziert die amerikanische Wirtschaft pro Jahr 3 000 Milliarden Dollar an neuen Schulden, wovon fast ein Drittel auf neue Hypothekenschulden entfällt. Wenn diese größte Finanz- und Kreditblase aller Zeiten platzt, wird Greenspan nicht mehr im Amt sein.


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