| Februar 1999: |
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"Anschalten statt stillegen!" war 1993 das Motto einer Kundgebung am Kernkraftwerk Brunsbüttel, bei der die grüne Sabotage an der Kernenergie angegriffen wurde. Es bleibt zu hoffen, daß das seit 1998 betreibsfertig stehende Krenkraftwerk Mühlheim-Kärlich endlich ans Netz geht.
Foto: RWE.
Der wachsende Unmut in den Unternehmen und bei den Beschäftigten der Energiewirtschaft über Umweltminister Trittins Pläne zum Sofortausstieg aus der atomaren Wiederaufarbeitung hat Kanzler Schröder dazu gebracht, die Notbremse zu ziehen und den grünen Koalitionspartner zurückzupfeifen. Man wird Arbeitsgruppen bilden, in denen laut Schröder "ruhig und sachlich" die Probleme besprochen werden sollen. Damit hat die Industrie Zeit gewonnen, sich auf die nächsten Konfrontationen mit der rot-grünen Politik vorzubereiten.
Viel Zeit bleibt aber nicht, denn die Regierung hat die Entscheidungen über ihre Änderungspläne zum Atomrecht nur bis zum März vertagt. Am grundsätzlichen Kurs der Regierung, die aus der Atomtechnik herauswill, und das hat Schröder nach der ersten "Konsensrunde" ganz klar gemacht, wird sich nichts ändern. Das wird auch so bleiben, solange diese Regierung im Amt bleibt.
Es macht wenig Sinn, den Ausstieg aus der Kerntechnik lediglich aufzuhalten oder bloß zu "verlangsamen" - es geht darum, daß erstmals seit Ende der 70er Jahre wieder Kernkraftwerke in Deutschland gebaut werden können! Davon ist die politische Lage hierzulande aber noch weit entfernt, es muß viel mehr Druck seitens der Kernkraftbefürworter aufgebaut werden, um den Wiedereinstieg gegen rot-grünen Widerstand durchzusetzen.
Wenn es diese Gesellschaft nicht fertigbringt, Kernkraftwerke zu bauen oder fertiggebaute wie das in Mülheim-Kärlich ans Netz zu lassen, dann wird es auch kaum möglich sein, Ersatzkraftwerke auf Basis von Gas, Kohle oder gar Öl in jahrelangen Prozeduren vor Verwaltungsgerichten durchzusetzen. Und am Ende wird es nicht einmal möglich sein, Wind- oder Sonnenkraftwerke zu bauen, weil selbst das vielen Grünen schon wieder zuviel Technik, zuviel "Umweltbelastung" ist.
Für Gewerkschafter, die sich einen nüchternen Blick bewahrt haben, ist klar: Der Ausstieg aus der Kerntechnik leitet den Ausstieg aus der heimischen Energieerzeugung generell ein. Am Ende dieses Prozesses wird Deutschlands Energieversorgung ganz von Importen abhängig sein.
Das ist, wie ein Beamter des bayerischen Wirtschaftsministeriums im Gespräch mit dieser Zeitung in der vergangenen Woche deutlich machte, denn auch das Ende ganzer Industriebereiche in transportmäßig abgelegenen Regionen Deutschlands wie denen in Bayern. Wenn eine Tonne Importkohle bei der Anlandung in Wilhelmshaven 70 DM kostet und bei der Ankunft in München 90 DM, dann können Kraftwerke und Industriebetriebe in Bayern wegen der um ein Drittel höheren Energiekosten gegenüber denen im Norden Deutschlands nicht lange konkurrenzfähig bleiben.
Aus dem ersten Übel, dem Ausstieg aus der Kernenergie, erwachsen viele weitere, und allenfalls die Küstenregionen werden den Kampf mit den Kohle-, Öl- und Gaskartellen um die Energiepreise durchstehen können. Der Rest Deutschlands fällt in einen Zustand zurück, wie er vor der Industrialisierung bestand. Es ist daher überhaupt nicht abwegig, wenn in Frankreich der grüne Fundamentalist Trittin in Anlehnung an die technikfeindlichen Roten Khmer Pol Pots der "grüne Khmer" (Le Khmer vert) genannt wird.
Länder wie Bayern, heute ein Zentrum der Hochtechnik und der Forschung, werden in Landschaften ohne Industrie zurückverwandelt, warnte der erwähnte bayerische Beamte. Für Bayern, dessen Strombedarf heute zu fast 70% aus Kernkraftwerken gedeckt wird, darf es einen Ausstieg aus der Kerntechnik nicht geben, deshalb wird sich die Landesregierung in München der Klage Baden-Württembergs gegen die rot-grünen Pläne vor dem Bundesverfassungsgericht anschließen.
Klagen können wohl, wenn sie entschieden betrieben werden, Erfolg haben. So war z.B. die Klage von RWE, dem Betreiber des Kraftwerks in Mülheim-Kärlich, gegen die Landesregierung von Rheinland-Pfalz für die Kläger vor dem Bundesverwaltungsgericht in Berlin erfolgreich: Es wurde festgestellt, daß die Landesregierung unrecht handelte, als sie dem Kraftwerk die Betriebsgenehmigung versagte, ohne eine ernsthafte Prüfung des Antrags vorzunehmen. Damit wird sie schadensersatzpflichtig, und darum ist nun ein langwieriger Rechtsstreit zwischen Land und RWE entbrannt, in dem die Karten für den Kraftwerksbetreiber die besseren sind. Nur, das Kraftwerk steht immer noch still.
Die Landesregierung in Mainz denkt gar nicht daran, das Werk ans Netz gehen zu lassen, sondern setzt darauf, daß die rot-grüne Bundesregierung RWE dazu bringt, sich auf einen Kuhhandel einzulassen: RWE dürfte demzufolge seine anderen atomaren Kraftwerke zunächst weiterbetreiben, müßte aber im Gegenzug auf Mülheim-Kärlich wie auch auf die damit verbundenen Forderungen nach Schadenersatz verzichten. Die rheinland-pfälzische Umweltministerin Klaudia Martini (SPD) ist nicht um die ungenutzten Investitionen und Arbeitsplätze in Mülheim-Kärlich besorgt, sondern vielmehr darum, daß der vorlaute Trittin diesen Kuhhandel mit RWE erschweren oder ganz unmöglich machen könnte. So soll sie es auch ihrem Parteikollegen und Bundeskanzler Schröder nach Bonn geschrieben haben. Der Vorgang zeigt auf, was von den "gemäßigten" Sozialdemokraten, die einen "ruhigen und sachlichen" Verlauf der Energiegespräche fordern, im Grunde aber keinen Deut vom atomfeindlichen Kurs abgehen wollen, zu halten ist.
Zusätzlich verlangen Bundesfinanzminister Lafontaine und andere Mitglieder der rot-grünen Regierungsmehrheit von den Gewerkschaften, vor allem von den Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst, Lohnzurückhaltung, um nur ja nicht den Bundeshaushalt ins Ungleichgewicht zu bringen und womöglich die Haushaltskriterien der EWU zu verletzen. Die Regierung bewegt sich auf einen großen Konflikt mit den Gewerkschaften zu, ähnlich wie die vorherige Regierung, als sie versuchte, die Lohnfortzahlung anzutasten. Lafontaine muß achtgeben: Die nächsten Bergarbeiter, die ins Regierungsviertel marschieren, werden ihm vermutlich nicht mehr die Hand schütteln.
Zu solchen Vertraulichkeiten besteht für Gewerkschafter auch nicht der geringste Anlaß, denn die rot-grüne Regierung erweist sich als Feind der Arbeitnehmer. In einer schweren Weltwirtschaftskrise, deren Auswirkungen erst jetzt auf die deutschen Exporte durchschlagen, kann die Industrienation Deutschland sich eine rot-grüne Regierung, die einen großen Teil des Stroms abdrehen will, überhaupt nicht leisten. Wir brauchen nicht nur einen neuen Umweltminister, der Trittin ablöst, sondern es wird eine ganz neue Regierung gebraucht, in der von den derzeitigen Ministern auch auf SPD-Seite möglichst keiner wiederzufinden ist.
Was Deutschland vor allem braucht, um einen solchen Wechsel der Regierung möglich zu machen, ist eine breite Bewegung für die entschiedene Förderung der Kerntechnik, in der den unmittelbar in der Atomwirtschaft und -forschung Beschäftigten auch die Schlüsselrolle zukommt, die ihnen naturgemäß zusteht. 1999 muß das Jahr werden, in dem Großkundgebungen für Kernenergie stattfinden wie jene, die 70000 Arbeiter 1978 in Dortmund zusammenbrachte. Mit der Lafontaine-SPD, in der Nuklearingenieure keine Chance haben, auf Listenplätze für Wahlen zu kommen, ist das nicht machbar. Ob und wann sich die SPD von Lafontaine, dessen Person ganz direkt für das grüne Element in der neuen Sozialdemokratie steht, lösen kann, ist fraglich.
Die Bürgerrechtsbewegung Solidarität (BüSo) ist die Partei, die die SPD einfach nicht sein will: Eine Partei, die sich entschieden für Industriearbeitnehmer und die Entwicklung moderner produktiver Hochtechnologien einsetzt. Die SPD ist derzeit die Partei mit den meisten betrogenen Wählern vom Wahltag am 27. September. Bei den nächsten Wahlen, und die hessische Landtagswahl ist die erste in dieser Kette, bietet sich ernüchterten Wählern vom letzten Herbst die Chance, Rot-Grün abzuwählen und eine Fraktion der BüSo ins Parlament hineinzuwählen.
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