Dezember 2003:
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Dumawahl: Durchbruch für Glasjews Rodina

Sergej Glasjew Das Ergebnis der Wahlen zur russischen Duma bedeutet eine katastrophale politische Niederlage für die sogenannten "Oligarchen". Das Rodina-Bündnis des Ökonomen Sergej Glasjew erhielt auf Anhieb 9%.

Im Bild der russische Ökonom Sergej Glasjew, Unterstützer der Ideen LaRouches, auf einer Konferenz unserer Dachorganisation, des Schiller-Instituts.

Die Wahlen zur russischen Duma am 7. Dezember haben in der russischen Politik neue Perspektiven eröffnet. Die Wähler bereiteten den "liberalen Reformern", die tatsächlich nur die politische Front für die "Oligarchen" in der russischen Wirtschaft darstellen, eine vernichtende Niederlage. Nicht überraschend errang der Präsident Wladimir Putin nahestehende Block "Vereinigtes Rußland" 37% der Stimmen. Doch die eigentliche Sensation der Wahl ist das eindrucksvolle 9,1%-Ergebnis der neuen Partei Rodina, die der Ökonom Sergej Glasjew erst im Sommer gegründet hatte. Vor allem Glasjews Erfolg löste eine Schockwelle im internationalen politischen Establishment aus.

Das Wahlergebnis zeigt einen patriotischen Reflex, nachdem Putin kürzlich wichtige Führungsfiguren im Kreml aus der Zeit des Jelzin-Regimes fallengelassen und das Vorgehen der Justiz gegen die mit ausländischen Interessen verbundenen Rohstoffmagnaten unterstützt hatte. Aber auch die Empörung in Rußland über das imperiale Verhalten der USA im Irakkrieg floß in das Wahlergebnis mit ein.

Diese politische Dynamik, die im Ergebnis der Dumawahl zum Ausdruck kam, wird sich in den kommenden Monaten noch verstärken. Für den 14. März sind Präsidentschaftswahlen angesetzt. Nach dieser Wahl ist damit zu rechnen, daß Putin eine neue Regierung mit einem neuen Premierminister und neuen Gesichtern in den Schlüsselpositionen bildet und Änderungen in der Wirtschaftspolitik vornimmt.

Die von Skandalen geschüttelten Kommunisten (KPRF) unter Gennadij Sjuganow sackten auf unter 13% ab (halb soviel wie 1999), und die LDPR des professionellen, ultra-chauvinistischen Provokateurs Wladimir Schirinowskij erhielt 12%. Schirinowskij hatte versucht, Rodinas Wahlerfolg mit wüsten Verleumdungen und gewalttätigen Übergriffen zu verhindern.

Oligarchen im Absturz

Die "rechtsliberale" Union der Rechten Kräfte (SPS) von Anatolij Tschubajs und Boris Nemtsow scheiterte an der Fünfprozenthürde. Die SPS, deren führende Köpfe für die verheerende Deregulierungs- und Privatisierungspolitik der 90er Jahre verantwortlich sind, erhielt nur 3,8%. Die SPS hatte zudem den Fehler gemacht, den verhaßten Tschubajs, einen Hauptverantwortlichen für die Privatisierungen und jetzigen Vorstandsvorsitzenden des nationalen Stromkonzerns VESR, zum Spitzenkandidaten zu machen. Auch der Slogan der SPS vom "liberalen Imperialismus" als Marschroute für Rußland zog nicht bei den Wählern. Glasjew sagte in einem Gespräch mit dem italienischen Corriere della Sera, Tschubajs wolle Rußland "eine Kombination von Pinochets Regime in Chile und afrikanischer Kolonialpolitik" aufzwingen, aber damit sei es jetzt vorbei. Wie Schirinowskij hatte auch die SPS eine massive Verleumdungskampagne gegen Glasjews Rodina inszeniert.

Grigorij Jawlinskijs Jabloko-Partei, die ebenfalls als "liberal" gilt, auch wenn ihr der ideologische Dogmatismus der SPS fehlt, erhielt 4,3% und ist nicht mehr in der Duma vertreten.

Die Dumawahl ist sozusagen ein Vertrauensvotum für die jüngsten Maßnahmen Putins gegen die "Oligarchen", namentlich gegen den Milliardär Michail Chodorkowskij von Yukos Oil, der jetzt im Gefängnis sitzt und auf seinen Prozeß wegen Bestechung wartet. Die internationale Finanzwelt mobilisierte zwar gegen Chodorkowskijs Verhaftung, aber Präsident Putin - dessen Verhalten gegenüber dieser Gruppe bis dahin ambivalent war - blieb fest.

"Die liberalen Reformer sind am Ende", erklärte die bekannte russische Ökonomin Tatjana Korjagina. "Die russische Bevölkerung hat genug vom Wirtschafsliberalismus." Wegen der Wut der Bevölkerung über die teure wie unzuverlässige Energieversorgung könnte Tschubajs schon bald seinen Job verlieren. Die Zeit sei "reif für eine Änderung der nationalen Politik" Rußlands, bei der "fundamentale Änderungen in der Wirtschaftspolitik" an erster Stelle stehen müssen. Der Rohstoffsektor Rußlands habe sich zwar halten können, aber strategisch wichtige Sektoren der Industrie wie der Maschinenbau oder der Luft- und Raumfahrtsektor stünden aufgrund der seit Jahren ungenügenden Investitionen vor dem Kollaps. Nun komme der Moment der Wahrheit für Putin, erklärte Korjagina. "Versteht er die wichtigen wirtschaftlichen Fragen, mit denen das Land konfrontiert ist?"

Was will Rodina?

Worum es bei dieser Wahl ging, wird deutlich, wenn man sich die von Glasjew und der Rodina-Partei vertretene Politik anschaut. Der promovierte Ökonom Glasjew, mit einem Studienaufenthalt in Österreich, war 1991/92 Außenhandelsminister. Bei der letzten Wahl 1999 war er auf der Liste der KPRF in die Duma gewählt worden, wo er Vorsitzender des Duma-Auschusses für Wirtschaftsfragen wurde. Glasjew gab Rodina eine wirtschaftspolitische Plattform, in deren Zentrum der industrielle Wiederaufbau Rußlands steht. Glasjew und auch andere führende Persönlichkeiten der Rodina kennen die Ideen von Lyndon LaRouche sehr gut. Im Juni 2001 lud Glasjew LaRouche ein, um vor dem Wirtschaftsausschuß der Duma zu sprechen. Seither haben sich beide mehrfach getroffen.

Im Mittelpunkt des Rodina-Programms steht eine dirigistische Wirtschaftspolitik und die Kapitalbildung in der Industrie, vor allem in den Hochtechnologiesektoren. Glasjew setzt auf wissenschaftlichen und technischen Fortschritt in der Industrie, um Rußlands Abhängigkeit von den Rohstoff- und Energieexporten zu verringern. Glasjew fordert eine "Grundrenten-Steuer" auf Rohstoff- und Energieexporte, wodurch Mittel für staatlich geförderte Investitionen in der Industrie bereitgestellt werden sollen. Rodina will einschneidende Maßnahmen ergreifen, um die Anlage der fetten Profite aus den Rohstoff- und Energieexporten an ausländischen Finanzplätzen zu unterbinden.

Rodina vertritt eine Sozialpolitik, die darauf abzielt, die tiefe Spaltung der russischen Gesellschaft in Arm und Reich zu überwinden, und verlangt die ausreichende Finanzierung des russischen Bildungswesens, das ein entscheidender Katalysator für Wirtschaftswachstum ist. In der Außen- und Sicherheitspolitik steht Rodina für eine entschlossene Verteidigung der nationalen Interessen und Souveränität Rußlands.

"Unser Sieg ist der Sieg unseres Programms für soziale Gerechtigkeit und Wirtschaftswachstum auf der Grundlage des wissenschaftlich-technischen Fortschritts", erklärte Glasjew in einem Interview mit dem Moskauer Radiosender Echo Moskwy. "Unser Programm ist nicht nur ein Parteiprogramm, sondern ein umfassendes Programm für die Nation - ein Programm, das von der russischen Akademie der Wissenschaften ausgearbeitet wurde... Unsere Politik wurde vor zwei Jahren vom Staatsrat unterstützt, dessen Vorsitzender übrigens Wladimir Putin ist. Aber das Programm wurde nicht verwirklicht, da die Regierung und die Mehrheit der Duma im Interesse jener arbeitete, die am meisten für ,politische Dienstleistungen' zahlten - kurz, im Interesse der russischen Oligarchen. Jedesmal, wenn die Interessen der Oligarchen betroffen waren, blockierte die Duma unsere Gesetzesvorhaben, selbst solche, die mit dem Präsidenten abgestimmt waren. Ich hoffe, daß die Mehrheit in dieser Duma nicht von der Regierung oder oligarchischen Einflüssen manipuliert werden kann."

RIA Nowosti zitierte Glasjew, Rodina sei bereit, mit Putins Partei Vereinigtes Rußland zusammenzuarbeiten, vor allem in Wirtschaftsfragen. Rodina habe 80 Gesetzesvorschläge ausgearbeitet, "von denen längst nicht alle ein leichtes Spiel sein werden, weil sie die Interessen einflußreicher Kräfte berühren". Es wird vermutet, daß Rodina eine Koalition mit der Regierungspartei "Vereinigtes Rußland" eingehen und Glasjew in die Regierung aufgenommen werden könnte. Aber, wie von Glasjew angedeutet, sind Spannungen und Konflikte mit dem "liberalen" Flügel des "Vereinigten Rußland" vorprogrammiert.

Zu den führenden Persönlichkeiten der Rodina gehört der frühere russische Zentralbankchef Viktor Geraschenko, der im vergangenen Jahr öffentlich erklärte, die Duma solle sich ein Beispiel am italienischen Parlament nehmen, das 2002 ein Neues Bretton Woods forderte, wie es LaRouche vorgeschlagen hat. Mitvorsitzender von Rodina ist Dmitrij Rogosin, der bisherige Vorsitzende des Außenpolitischen Duma-Ausschusses und Putins Beauftragter für das Kalingrad-Gebiet im ehemaligen Ostpreußen. Zum Führungskreis der Rodina gehören der ehemalige Kommandeur der sowjetischen Landstreitkräfte General W.I. Warennikow und der frühere Kommandeur der russischen Luftlandetruppe General Georgij Schpak.


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