Januar 2004:

Wie ein Bankier die Sparpolitik erläutert

Peter Schamaitis
Der rheinland-pfälzische BüSo-Aktivist, Peter Schamaitis (Bild) nahm an einem "Museumsabend der deutschen Bundesbank" zum Thema "Staatsfinanzen in der Krise - Ist ein Haushaltsausgleich erreichbar?" teil. Hier erläutert er seine Eindrücke.

Wie ein Bankier die Sparpolitik erläutert Frankfurt/Main. In der Reihe Museumsabende der Deutschen Bundesbank behandelte Karsten Wendorff das Thema "Staatsfinanzen in der Krise - Ist ein Haushaltsausgleich erreichbar?"

Karsten Wendorff behandelte mit seinem Vortrag "Staatsfinanzen in der Krise" ein hochaktuelles Thema, denn nur wenige Tage zuvor war der Maastrichtvertrag über die Neuverschuldung der Regierungen quasi außer Kraft gesetzt worden. Zunächst erläuterte er dem Publikum detailliert und kenntnisreich die Punkte Bestandsaufnahme der Schulden, der Staat und die Staatsfinanzen. Dabei unterschied er beim Staat zwei Hauptkategorien, die Gebietskörperschaften und die Sozialversicherungen, bei den Gebietskörperschaften wiederum Bund (und Sondervermögen), Länder und Gemeinden. Anhand verschiedener Grafiken stellte Wendorff das Defizit, die Defizitquote, der Schuldenstand in Mrd. Euro sowie den Finanzierungssaldo und die Staatsschulden (in % des BIP in der EU) dar und betrachtete zusammenfassend die Entwicklung der Schulden in Deutschland im Vergleich zur EU.

Im zweiten Teil des Vortrags ging Herr Wendorff genauer auf die Ausgaben und Einnahmen des Staates ein. Auch dieser komplexe Sachverhalt wurde anhand verschiedener Grafiken für die Zuhörer/innen verständlich dargestellt. Interessant war hier die Tatsache, daß vor allem die Ausgaben für Sozialleistungen als Anteil des Bruttoinlandsprodukt (BIP) seit 1991 bis 2003 von 22,7% auf 28% überdurchschnittlich angestiegen sind. Die Sozialausgaben wurden in die Einzelpositionen Alterssicherung, Gesundheit, Arbeitsmarkt und Sonstiges aufgegliedert, wobei hierbei die Alterssicherung mit 12,8% und die Gesundheit mit 78% den größten Brocken ausmachen. Das sei der Grund für die derzeitige Diskussion über die private Vorsorge und die Gesundheitsreform.

Auf der Einnahmenseite wurde neben einem Rückgang der direkten Steuern ein Anstieg der Sozialversicherungsbeiträge erkennbar. Diese Zahlen sollten jedoch nicht überbewertet werden, da die Treuhand erst ab 1995 im Staatshaushalt mit verrechnet wurde. Herr Wendorff faßte dies zu folgender Erkenntnis zusammen: Die strukturelle Lage habe sich deutlich verschlechtert, die Ausgaben seien etwa neutral, die Einnahmen deutlich rückläufig.

Im Anschluß daran machte er eine Bestandsaufnahme der nationalen und europäischen Haushaltsregeln. Interessant war hier vor allem die Frage, welche Strafen ein Überschreiten der Dreiprozentdefizit-Quote des Maastricht-Vertrages mit sich bringt: nämlich eine unverzinste Geldeinlage von 0,2% des BIP bei der EU. Nach dem dritten Jahr der Überschreitung wird die Einlage nicht mehr zurückgezahlt.

Im letzten Teil des Vortrages wurden die Perspektiven für den Haushaltsausgleich und deren Folgen betrachtet. Der Kernpunkt, wie diese Konsolidierung erfolgen kann, wurde mit der schlichten Aussage einer wachstumsfördernden Strukturreform leider nicht genügend erläutert, und Wendorffs Empfehlung, auf staatliche Leistungen zu verzichten, zeigt, wie wenig zukunftsorientiert seine Überlegungen sind.

In der anschließenden Diskussion wurde immer wieder auf die Sparpolitik und deren Folgen hingewiesen, doch meistens ohne klare Vorstellungen einer vernünftigeren Wirtschaftspolitik.

Mit dem Vorschlag einer weltweiten Infrastrukturinitiative im Sinne eines Lautenbach bzw. neuerdings eines Herrn Tremonti oder LaRouches eurasische Landbrücke wurde die Diskussion lebhafter. Als gar von Seiten eines Teilnehmers der Vorschlag kam, das Geld für solche produktiven Investitionen vom Schuldendienst an die Banken abzuziehen, äußerten die Bankenvertreter ihr deutliches Mißfallen. Sie verlangten, die Regierung bzw. der Staat müsse erst das Vertrauen der Bürger durch eine Sparpolitik zurückgewinnen, um so die Banken wieder zu einer vermehrten Investitionsneigung zu gewinnen. Damit trat die Kurzsichtigkeit und der Egoismus dieser Branche offen zutage.

Die EIRNA-Studie Lautenbach-Plan und die Entwicklung Eurasiens - Maßnahmen zur Überwindung der Massenarbeitslosigkeit war anschließend noch Gegenstand angeregter Debatten im kleineren Kreise. Hier wurde auch die Forderung nach einer staatlich gesteuerten, produktiven Wertschöpfung angesprochen und positiv diskutiert.

Insgesamt kann festgestellt werden, daß Wendorffs Vortrag zwar objektiv und sachlich vorgebracht wurde, jedoch am Hauptthema der globalen Finanzkrise vorbeiging. Beim Publikum ist jedoch ein Bewußtseinswandel zu erkennen, was die Notwendigkeit produktiver Wertschöpfung anbelangt.


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