Dezember 2006:

Papst Benedikt XVI. in der Türkei

"Der Papstbesuch in der Türkei war anfangs von politischen Ereignissen und den Reaktionen auf die Papstrede in Regensburg überschattet. Aber die Saat derjenigen, die einen "Kampf der Kulturen" anzetteln wollten, ging nicht auf.

Online-Ausgabe von Hürriyet
Der Türkei-Reise des Papstes wurde in der islamischen Welt besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Hier ein Screenshot der Online-Ausgabe der türkischen Zeitung Hürriyet (www.hurriyet.com.tr), die ganz ausführlich über die verschiedenen Reiseetappen berichtete.

Unser Mitglied Elisabeth Hellenbroich hat die wichtigsten Begebenheiten herausgearbeitet.

Die Türkeireise von Papst Benedikt XVI. vom 28. November bis 1. Dezember bildet einen Meilenstein auf dem Weg der Vertiefung des interreligiösen Dialogs, insbesondere im Hinblick auf eine Einheit zwischen den christlichen Kirchen. In der türkischen Hauptstadt Ankara wurde der Papst vom Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan herzlich begrüßt. Die Reise finde zu einem historisch-politisch wichtigen Zeitpunkt statt, sagte Erdogan und bezog sich positiv auf die von UNO-Generalsekretär Kofi Annan und dem spanischen Ministerpräsidenten Zapatero initiierte "Allianz der Zivilisationen", ein Projekt, das die Türkei nachhaltig unterstützt. "Ich habe ihm gesagt, daß der Islam eine Religion des Friedens, der Toleranz und der Liebe ist. Und ich habe gesehen, daß er diese Auffassung teilt", sagte der türkische Ministerpräsident.

Bei einem Treffen mit dem Präsidenten des Amts für Religionsangelegenheiten, Ali Bardokoglu, der im September den Papst nach dessen Rede in der Universität Regensburg voreilig als "Kreuzfahrer" diffamiert hatte, betonte Benedikt XVI.: "Christen und Muslime gehören zur Familie derer, die an einen Gott glauben." Der beste Weg voranzukommen, sei der "authentische Dialog". Dieser müsse auf dem Glauben basieren und vom ehrlichen Wunsch geleitet sein, einander besser kennenzulernen, Unterschiede zu respektieren und Gemeinsamkeiten zu erkennen. Zugleich müsse Religionsfreiheit sowohl institutionell garantiert, als auch in der Praxis respektiert werden. Christen und Muslime, die ihrer Religion folgen, "weisen auf die Wahrheit des heiligen Charakters und die Würde der Person hin", sagte der Papst in seiner Ansprache.

Begegnung mit dem orthodoxen Patriarchen Bartholomaios I. Der eigentliche Höhepunkt der Reise war die Begegnung mit dem ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. von Konstantinopel und die gemeinsame Erklärung von Papst Benedikt XVI. und dem Patriarchen, die am 30. November feierlich verlesen wurde. Sie markiert seit dem unheilvollen Schisma von 1054, das die Christenheit in eine West- und Ostkirche spaltete, einen weiteren bedeutenden Meilenstein auf dem Weg zur Wiederherstellung der Einheit der Christenheit.

Eine erste Begegnung zwischen dem Papst und dem Patriarchen fand in der St. Georgskathedrale in Istanbul statt. Dort erklärte der Papst in seiner Ansprache, er sei glücklich, mit "meinen Brüdern in Christus" zusammenzutreffen und erinnerte dabei an die Schritte, die von Katholiken und Orthodoxen unternommen wurden, um die Kirchenspaltung zu überwinden; unter anderem die gemeinsame Erklärung von Papst Paul VI. und dem Patriarchen Athenagoras I., die 1965 im Petersdom und in der Kathedrale des Patriarchen in Istanbul verlesen wurde. Der Patriarch erklärte damals "Deus caritas est" - "Gott ist die Liebe," während Papst Paul VI. die Worte des Hl. Paulus benutzte: "Ambulate in dilectione" - "Geht in Liebe."

Die gegenseitige Liebe, so Papst Benedikt XVI., sei die entscheidende Grundlage, die einen Neuanfang in den Beziehungen zwischen den Kirchen von Rom und Konstantinopel ermöglicht habe. Zwischen Papst Paul VI. und Papst Johannes Paul II. auf der einen, und den Patriarchen Anthenagoras I. und Dimitrios I. auf der anderen Seite habe es viele gemeinsame Erklärungen und Gesten des guten Willens gegeben, um die Einheit der Kirchen voranzubringen. Benedikt erinnerte daran, daß in diesem östlichen Teil der Welt sieben ökumenische Konzilien im Laufe der Geschichte der Christenheit stattfanden, die für Orthodoxe und für Katholiken einen Referenzpunkt für den gemeinsamen Glauben darstellten.

Während des anschließenden Hochamtes in der St.-Georgs-Kathedrale von Istanbul, erinnerte der Papst in seiner Ansprache daran, daß diese Liturgiefeier zu Ehren des Schutzheiligen der Kirche von Konstantinopel, des Apostels und Heiligen Andreas zelebriert werde: "Unsere brüderliche Begegnung zeigt die spezielle Beziehung, welche die Kirchen von Rom und Konstantinopel als Schwesterkirchen vereinigt."

Er erinnerte erneut an das Treffen vom Januar 1964 in Jerusalem zwischen Papst Paul VI. und dem Patriarchen Athenagoras. Beide sprachen damals in ihren Briefen vom Gott der Liebe, von dem einigenden Band zwischen den Kirchen. Papst Benedikt erinnerte auch an den 7. Dezember 1965. Damals hatten sich am Ende des zweiten vatikanischen Konzils Papst Paul VI.in Rom und der Patriarch von Konstantinopel in Istanbul gegen die 1054 ausgesprochene Exkommunikation gewandt und damit in Überwindung des "Anathemas" eine neue Phase der Beziehungen eingeleitet. Ebenso erinnerte er an die Reise Papst Johannes Pauls II. nach Konstantinopel im Jahre 1979 und an die Besuche des Patriarchen Bartholomaios I. in Rom.

Man sei bemüht, nun auf diesem Wege weiterzugehen und die Voraussetzungen "für eine volle Einheit zwischen der Kirche von Rom und Konstantinopel zu schaffen. Ich versichere, daß die katholische Kirche alles tun wird, um die Hindernisse zu überwinden und zusammen mit unseren orthodoxen Brüdern und Schwestern, bessere Mittel der pastoralen Zusammenarbeit zu finden."

Die gemeinsame Erklärung

Ein Höhepunkt der Begegnung war die gemeinsame Erklärung, die Papst Benedikt XVI. und der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Bartholomaios I, (Ehrenprimas von 300 Millionen orthodoxen, nicht mit Rom verbundenen Christen), zur Wiederherstellung der Einheit beider Kirchen abgaben. Im Mittelpunkt der Erklärung stehen die Überwindung der Kirchenspaltung und der Einsatz für die christliche Tradition angesichts von Säkularisierung und Unfrieden in der Welt.

In einem gemeinsamen Gottesdienst nach orthodoxem Ritus beschworen der Patriarch und der Papst die Einheit aller Christen und christlicher Kirchen: "Wir beten darum, daß der Tag kommt, an dem die sakramentale Gemeinschaft vollkommen wiederhergestellt sein wird", sagte Bartholomaios I. während des Gottesdienstes.

In der gemeinsamen Erklärung sprachen die beiden von einer "brüderlichen Begegnung". Sie sei "ein Zeichen und eine Ermutigung, im Geiste der Brüderlichkeit, in Liebe und Wahrheit zusammenzuarbeiten ... Der Hl. Geist wird uns helfen, den großen Tag vorzubereiten, wo wir die volle Einheit wiederhergestellt sehen werden." In Erinnerung an die in den letzten Jahrzehnten von den Würdenträgern der römisch-katholischen und der orthodoxen Kirchen unternommenen Schritte zur Überwindung des Schismas (von 1054), betonten der Papst und Patriarch, die Einheit könne nur auf dem Glauben an "den einen Herrn Jesus Christus" und dem gegenseitigen Respekt für die "eigenen Traditionen" beruhen.

Dabei wird vor allem auf die Bedeutung der Arbeit der unter Papst Johannes Paul II. eingerichteten "Gemischten Kommission" verwiesen, die den "theologischen Dialog" aufnehmen und die "volle Einheit wiederherstellen soll". Gerade in jüngster Zeit habe sich die Kommission nach einigen Jahren der Unterbrechung des Dialogs, erneut in Belgrad getroffen. Im Geiste des Hl. Paulus, des "Apostels der Nationen", vereint müsse die Aufmerksamkeit beider Kirchen besonders auf die Orte in der Welt gelenkt werden, wo Christen, aber auch andere unter "Armut", "Krieg" und "Terrorismus" leiden. In gemeinsamen Aktionen müsse man sich für die Verteidigung der "Menschenrechte" einsetzen. Diese Rechte gründeten auf einem Menschenbild, das den Menschen als "Ebenbild Gottes" betrachtet. Alles müsse unternommen werden, um die Achtung dieser Menschenrechte, insbesondere des "Recht auf wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung" zu gewährleisten.

Am Schluß der Erklärung wird vor allem auf die aktuelle Lage im Nahen Osten hingewiesen: Mit Sorge betrachte man die Entwicklungen im Nahen Osten, dort, wo Gott der Herr "gelitten, gestorben und wiederauferstanden ist" und wo seit Jahrhunderten die christlichen Brüder lebten: "Wir sind getragen von dem brennenden Wunsch, daß der Frieden und das herzliche Einvernehmen zwischen den Völkern, Kirchen und Religionen wiederhergestellt wird." Deswegen setze man sich für eine "engere Beziehung zwischen den Christen" und einen "aufrichtigen Dialog zwischen den Religionen" ein, um alle Formen der Gewalt und Diskriminierung zu bekämpfen. Ebenso historisch bedeutsam ist die Tatsache, daß der Papst am Abschluß seiner Reise mit dem Großen Mufti zusammen in der in der Blauen Moschee von Istanbul zu dem " einen Gott" betete.


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