| Februar 2004: |
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Schnitt durch einen Datenträger.
Das Bild dieses Betriebsmediums enthält einen Hinweis darauf, wo auch Ihre Stimme landen könnte, falls bei uns bildschirmsensitive Wahlsysteme eingeführt würden wie in den USA.
Fangen wir beim allereinfachsten an: Hat man Ihnen in der Schule auch den Schwachsinn beigebracht, England sei das "Mutterland der Demokratie"? Der Geschichtslehrer behauptete es, ohne schamrot zu werden oder dabei zu kichern? Wo doch so ziemlich jeder weiß, daß von den Abermillionen Untertanen Ihrer Majestät im "Reich, wo die Sonne nie unterging" nur ein winzigkleiner Teil wählen oder mitbestimmen durfte?
So gab es in Hongkong die erste demokratische Wahl etwa zwei Jahre, bevor es den Chinesen zurückgegeben wurde. Was die Briten nicht daran hinderte, mit sorgenvoller Miene zu mahnen, die Chinesen könnten "Hongkongs alteingesessene Demokratie" gefährden!
Damit hätten wir also schon den simpelsten Fall von Wahlbetrug: 98% der Untertanen wurden nie nach irgendeiner Meinung gefragt in Queen Viktorias "Ömpeiah" (steifes Oberlippenenglisch für Empire); die Entscheidungen fielen in Banken, Handelsgesellschaften und Adelspalästen; aber weil sich ein paar Männeken im Unterhaus gegenseitig anbrüllen durften, nannte man es das Mutterland der Demokratie.
Seither gab es bekanntlich viele Spielarten von Wahlschwindel: sei es das Ausbooten unliebsamer Kandidaten über Medien, Skandale, Justiz, seien es direktere Methoden. Mit dem Anbruch des elektronischen Zeitalters geht man nun auch hier neue Wege. Vorbei die Zeiten, da einer ins Hinterzimmer des Wahllokals rief: "Erwin, hol' doch mal die Kiste mit den 500 Stimmzetteln für unsern Meier 'raus, ich hab wieder ein paar im Verdacht, daß sie falsch gewählt haben." Heute geht das anders, wozu gibt es denn Computer?
So hat sich jetzt der Stadtrat von Washington beschwert, mit den neuartigen "Wahlcomputern" stimme was nicht. (Wahrscheinlich haben Cheney und Ashcroft schon einen Antwortbrief verfaßt, worin es heißt: "Was beschwert Ihr Schwarzen Euch eigentlich, wir haben doch jahrhundertelang ohne Euch Politik gemacht, und das ging doch auch!") Jedenfalls bieten Wahlcomputer interessante Manipulierungsmöglichkeiten: Man kann schon vorher das gewünschte Resultat einprogrammieren, ohne lästiges Urnenaustauschen usw. Zweitens kann man bei der Übermittlung der Ergebnisse ans Wahlamt noch schnell was ändern. Drittens können bei der zukünftigen "Abstimmung übers Internet" auf dem langen Weg durch das Weltweite Netz jede Menge Stimmen verlorengehen oder dazuwachsen.
Und wenn einer ruft: "Halt! Schwindel! Nachzählen!", antwortet man mit treuem Hundeblick: "Sorry, es ist kein einziges Blättchen Papier da, das man nachzählen könnte!" Gut, zugegeben, das mit dem Nachzählen per Hand hat man beim letzten Mal in Florida auch nicht mehr geschafft und ließ nur noch zwei Handvoll Richter wählen (so weit konnte selbst der George noch zählen). Aber ein gewisses demokratisches Restrisiko bleibt bei den traditionellen Stimmzetteln ja doch. Da ist der Computer ein echter Fortschritt.
Im Blickfeld in Washington waren besonders die "Touch-Screen-Wahlsysteme". Da tippt man auf einem Bildschirm den Namen des Wunschkandidaten an wie die Wunschsumme beim Geldabheben am Bankautomaten. Kämen unsere Bankautomaten von derselben Firma wie diese Wahlmaschinen in Washington, dann kämen halt, wenn Sie 100 Euro abheben eingeben, mal 200 Euro raus, mal gar nix, oder sie kriegen 200, aber es werden 500 auf dem Konto abgebucht.
Es soll übrigens Pläne geben, diese Methode weiter zu verbessern. Fachleute arbeiten angeblich bereits an der Entwicklung einer neuen Wahlvorrichtung, dem sogenannten "Touch-Woman-Wahlsystem". Dabei handelt es sich dem Vernehmen nach um einen Wahlcomputer in Gestalt einer leichtbekleideten Frauenfigur aus Plastik (woman = Frau), welche im Wahllokal hinter einem Sichtschutz aufgestellt wird. An den verschiedenen Körperteilen sind deutlich lesbar die Namen der Kandidaten angebracht, und um sein Wahlrecht auszuüben, muß der Wähler diese Körperteile berühren oder, neudeutsch, "betouchen".
Beispielsweise stünde "Tony Blair" an der Nasenspitze, weil er einen gerne an selbiger herumführt, und "Bush-Cheney-Team" aus naheliegenden Gründen am Hinterteil.
Hat der Bürger dann erfolgreich abgestimmt bzw. getoucht, ertönt ein kurzes Signal "trööt" und dann eine computerisierte Frauenstimme: "Wir danken für Ihre Beteiligung am demokratischen Prozeß." Dann ist der nächste Wähler dran ... Übrigens soll sich Arnold Schwarzenegger schon sehr nachdrücklich für die Einführung dieser neuen Wahlmethode einsetzen.
Sie sehen, lieber Leser, das ist alles gar nicht so einfach mit der Demokratie. Wenn man sie nicht hegt und pflegt, ist sie bald nicht mehr wiederzuerkennen. Es grüßt wie immer
Ihr Eulenspiegel
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