| Januar 2003: |
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Der Kanzler bleibt bei seiner Haltung gegen den Irakkrieg. Deutschland wird seinen Sitz im UNO-Sicherheitsrat nutzen, um den Ausbruch eines Krieges zu verhindern, und entsprechende politische Schritte besonders eng mit Frankreich abstimmen.
Im Bild: Gerhard Schröder und Jacques Chirac.
Den Neujahrsempfang seiner SPD und seine erste Berliner Pressekonferenz seit Jahresbeginn nutzte der Bundeskanzler, um das "deutsche Nein" zu einem neuen Irakkrieg zu bekräftigen. Aus der Sicht der Bundesregierung ist die UNO-Resolution 1441 ein Mandat für die Inspektionen, nicht aber für eine wie auch immer geartete militärische Aktion gegen den Irak, sagte Schröder. Deutschland, seit Jahresbeginn für zwei Jahre nichtständiges Mitglied im 15köpfigen UNO-Sicherheitsrat, werde seinen Sitz dort nutzen, um den Ausbruch eines Krieges zu verhindern. Dabei würden politische Schritte und Initiativen besonders eng mit Frankreich (eines der fünf ständigen Mitglieder im Sicherheitsrat) abgestimmt. Der deutsche Vertreter dort werde auf der Grundlage der beschriebenen Position Berlins abstimmen.
Komme es dennoch zum Kriegsausbruch, werde Deutschland, wie bereits gesagt, weder Truppen noch Geld für den Krieg beisteuern. Die Bundesregierung unterstütze den Vorschlag der UNO, die Inspektionen zu verstärken und zu verbessern, und wenn dafür mehr Zeit notwendig sei, dann sollten die Inspekteure dieses Mehr an Zeit auch erhalten. Ein Krieg, setzte der Kanzler hinzu, sei aus deutscher Sicht vor allem auch deshalb zu vermeiden, weil niemand genau sagen könne, welche Folgen er nicht nur im Irak selbst, sondern in der gesamten Region des Nahen Ostens und des Persischen Golfes sowie weltweit haben könnte. Er selbst habe das schon im vergangenen September gesagt, und dabei bleibe es auch.
Der Bundeskanzler bezog sich hier auf ein umfangreiches Interview mit der New York Times, das in der Ausgabe vom 5.September 2002 erschienen war und international - auch in den USA selbst - auf große Zustimmung stieß, bei den Wüstenkriegern um den amerikanischen Verteidigungsminister dagegen Verärgerung hervorrief. Amerikanische Zeitungen warfen dem Kanzler daraufhin vor, er ermuntere andere Regierungen nur dazu, sich in der Irakfrage gegen die USA zu stellen und entlarve sich als Freund Saddam Husseins, des größten Feindes der Amerikaner.
Verärgerung erzeugte der Kanzler bei den Wüstenkriegern auch mit kritischen Anmerkungen am 11.September - dem ersten Jahrestag der Terroranschläge in New York und Washington: "Und wir sollten versuchen, aus der Koalition gegen den Terror eine Koalition für globale Sicherheit und globale Entwicklung zu schmieden - auf der Basis von Freiheit und Solidarität, von Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit. Dabei halten wir fest an unserem umfassenden Ansatz, der politische, diplomatische Bemühungen ebenso einschließt wie wirtschaftliche und humanitäre Hilfsmaßnahmen."
Es kann mittlerweile kein Zweifel mehr daran bestehen, daß die vernünftige Weigerung des Bundeskanzlers, den Wüstenkriegern einen Blankoscheck für künftige Aktionen gegen den Irak und andere Ziele zu erteilen, eine maßgebliche Rolle dabei gespielt hat, die parallel laufenden französischen Bemühungen, innerhalb der UNO eine diplomatische Lösung des Konflikts um den Irak vorzubereiten, zu begünstigen. Berlin und Paris haben verschiedene Wege gewählt, ihren Widerstand gegen den Krieg deutlich zu machen, aber die Anstrengungen beider Regierungen haben wesentlich mit bewirkt, daß der Kriegsausbruch seit September immer wieder aufgeschoben werden konnte.
Damit wurden Zeit und Spielraum für die Diplomatie geschaffen. Die Entwicklung seit dem letzten September zeigt, wie wichtig die Forderung der internationalen LaRouche-Bewegung ist, vor allem Frankreich und Deutschland sollten, zusammen mit Rußland, China und Indien, eine ganz maßgebliche Rolle bei der Weichenstellung der weiteren weltpolitischen Perspektiven spielen. Diese Rolle muß jetzt, anläßlich des 40.Jahrestags des 1963 unterzeichneten deutsch-französischen "Elysée-Vertrags", noch verstärkt werden - vor allem um die vom Bundeskanzler in jenem Interview mit der New York Times angedeuteten wirtschaftlichen Aspekte.
Vier Tage darauf wurde Schröder in einem Kommentar der Londoner Times angegriffen: "Führende Persönlichkeiten in seiner Sozialdemokratischen Partei (SPD) fragen sich, durch wen und wann man ihn ersetzen könnte... Herr Schröder gerät von allen Seiten unter Druck, vor allem, weil es ihm nicht gelingt, einen klaren Kurs vorzugeben. Wegen der Notwendigkeit, die Beziehungen zu Amerika wieder aufzubauen, muß er den deutschen Widerstand gegen den Irakkrieg modifizieren." Die Sozialdemokraten und Deutschland "brauchen politische Führung, um die SPD vor einer Niederlage in Hessen und Niedersachsen zu bewahren", schreibt die Zeitung mit Bezug auf die beiden Landtagswahlen am 2.Februar weiter. "Wenn Herr Schröder diese Führung nicht bietet, sollte seine Partei ihn stürzen, um ihrer eigenen und der Zukunft Deutschlands willen", tönte die Times.
Positiv anzumerken ist, daß die Schröders offensiv zurückschlagen. Der Kanzler reagierte in seiner Neujahrspressekonferenz auf die Frage eines amerikanischen Korrespondenten nach den Gerüchten um Schröders Ehe mit der Gegenfrage, wie es denn um die Ehe des Fragestellers stehe. Doris Schröder-Köpf wiederum sagte dem Stern, sie sei sich darüber im klaren, daß eine politische Hetzjagd auf ihren Mann losgetreten sei: "Die wollen den Gerd weghaben." Das werde aber am Kanzler scheitern: "Die schätzen ihn falsch ein. Der ist ein harter Knochen."
Die außerdem - Zufall oder nicht? - in den letzten Wochen flutartig angeschwollene Welle anonymer Drohungen wird von Sicherheitsexperten ernst genommen. Es gibt offenbar Leute, die den Kanzler nicht nur politisch eliminieren wollen. Daher sind die Sicherheitsvorkehrungen für den Kanzler und seine Familie erheblich verstärkt worden.
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