| Juli 1997: |
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Auf einer Veranstaltung in Mainz wurden konkrete Schritte aufgezeigt, um die schrecklichen Entwicklungen in der Region der Großen Seen umzukehren.
Im Bild Jean Gahururu, der Initiator des Bonner Forums für Freiheit und Demokratie in Ruanda, hielt eine ganz bemerkenswerte Rede, in der er auch auf die gemeinsamen Interessen zwischen Deutschland und afrikanischen Ländern hinwies.
Unter diesem Titel hatte die Bürgerrechtsbewegung Solidarität in Rheinland-Pfalz zu einem Informationsabend in Mainz eingeladen. Die Veranstaltung war der vorläufige Höhepunkt einer wochenlangen Auseinandersetzung der BüSo mit der Landesregierung um den offiziellen Besuch des Diktators von Ruanda zum Landesfest in Mainz. Obwohl die Ausladung von Kagame im Mai nicht gelungen war, hatte es die BüSo doch geschafft, die Bevölkerung in Rheinland-Pfalz, die Studentenschaft der Uni Mainz und Kreise in den Kirchen und politischen Institutionen um die Hintergründe der Krise in Ostafrika zu mobilisieren. So war es nicht verwunderlich, daß bei dem Informationsabend der Raum im Bürgerhaus Hechtsheim bis auf den letzten Platz gefüllt war.
Im ersten Beitrag des Abends entwickelte Herr Straton Musoni - in Deutschland seit Jahren aktiv in der Bewegung zur Rückführung der Flüchtlinge aus Ruanda und zur Wiedereinführung der Demokratie - , warum der Konflikt in Ruanda und Burundi nicht als ethnischer Konflikt angesehen werden kann. Die ethnischen Spannungen zwischen den Gruppen der Hutu und Tutsi würden vielmehr politisch von denjenigen geschürt, die Musoni als Extremisten bezeichnete.
Es sei nicht zu bestreiten, daß es in der großen Krise in Ruanda und Burundi 1993/94, als innerhalb von nur wenigen Monaten drei Präsidenten ermordet wurden, Massaker von seiten der Hutu-Extremisten an den Tutsi gegeben habe. Jetzt gehe es jedoch um die Frage, ob die Entwicklungen von damals zum Vorwand für eine Endlösung durch systematische ethnische Säuberungen an der Hutu-Bevölkerung genommen werden dürften. Anhand einiger furchtbarer Bilder dokumentierte Musoni, daß die Machthaber in Kigali in den letzten Monaten systematisch Massenmord an unschuldigen Zivilisten, wehrlosen Frauen und Kindern begangen haben.
Die Schlüsselfrage, die sich jetzt für Ruanda, Burundi und die ganze Region stelle, sei die Frage nach Versöhnung. Er und seine Freunde hätten sich zum Ziel gesetzt, alles in ihrer Kraft Stehende für den Frieden zu tun. Das größte Hindernis sei aber die jetzige Macht-Clique in Ruanda, die unter dem Diktator Kagame auf Rache setze. Musoni zitierte Kagame, der im letzten Jahr in einem Interview den Wunsch nach Aussöhnung als Krankheit bezeichnet hatte, und er zeigte auch eine in Ruanda veröffentlichte Zeitschrift, die vor kurzem ein Cartoon abgedruckt hatte, das die Hutus mit Mäusen verglich, die man ruhig auch in schwangeren Zustand töten dürfe.
Der zweite Redner Jean Gahururu, der Initiator des Bonner Forums für Freiheit und Demokratie in Ruanda, wies nachdrücklich darauf hin, daß der Konflikt, der 1990 in Ruanda und Burundi begann, inzwischen schon die gesamte Region mit ihren insgesamt zwölf Staaten direkt oder indirekt erfaßt hat. Das Drama in Ostafrika habe in Ausmaß und Intensität die Tragödie des Bosnien-Kriegs schon weit in den Schatten gestellt. Die Region sei zu einem Synonym für Flüchtlingselend und Tod geworden. Man müsse von zwei Millionen Toten ausgehen, und die Zahl steige täglich weiter aufgrund der Ausweitung des Krieges in immer neue Länder hinein.
Gahururu verurteilte die jetzigen Machthaber in Ruanda, weil sie die mittelalterliche Vorstellung von Rache in der Praxis institutionalisiert haben. Er berichtete von den dokumentierten Massakern der ruandischen Armee in Kibeho und Knamana. 100000 Menschen würden gegenwärtig unter unmenschlichen Umständen in ruandischen Gefängnissen eingepfercht. Auch das Internationale Rote Kreuz hat Berichte bestätigt, daß viele dieser Insassen sich aus Platzmangel nicht hinlegen können. Jeder Fünfte stirbt nach wenigen Wochen. Verurteilungen und Hinrichtungen finden ohne Prozesse statt. Von einer Annäherung an rechtsstaatliche Normen könne keine Rede sein.
Herr Gahururu erläuterte dann zum Schluß, welche Schritte sofort ergriffen werden müßten, um die Entwicklungen umzukehren. Erstens müsse sofort auf einen Waffenstillstand hingearbeitet werden. Es dürften ab sofort keine Geld- und Waffenlieferungen an Kabila mehr erfolgen. Etwa 200000 bis 500000 Flüchtlinge seien in Ostzaire immer noch ihrem Schicksal und der Willkür Kabilas ausgeliefert.
Zweitens müsse sofort eine internationale Friedenskonferenz für die Region an den Großen Seen einberufen werden, auf der folgende Prinzipien bindend für alle Beteiligten festgelegt werden: die freiwillige Rückkehrmöglichkeit für alle Flüchtlinge nach Ruanda und Burundi, die Abkehr von einer "Sieger-Justiz", das Hinarbeiten auf eine zivile, auf rechtsstaatlichen Prinzipien beruhenden Gesellschaftsordnung, in der auch der Schutz der Minderheiten garantiert ist. Und als wesentliches Element müsse eine langfristige Entwicklungsperspektive als Garant für den Frieden und die Sicherheit in der Region eröffnet werden.
Es sei die zum Himmel schreiende Armut, die es Kabila jetzt ermöglicht habe, innerhalb weniger Wochen 100000 Menschen für seine Armee zu rekrutieren. Krieg sei gegenwärtig das einträglichste und oft auch einzige Geschäft. Afrika brauche deshalb die Möglichkeit, endlich eine Infrastruktur, Verkehrsnetze, Straßen, Eisenbahnen, Wohnungen, Krankenhäuser und Schulen aufzubauen. 1% betrage der Anteil des Kontinents am Welthandel. Handel sei wegen der nicht existenten Verkehrsnetze schlecht möglich. Die vorhandenen Netze seien hoffnungslos veraltet und nur auf koloniale Bedürfnisse ausgerichtet. Allein durch den Bau eines 300000 km langen Eisenbahnnetzes könnten in Afrika 20 Mio. Arbeitsplätze und ein Investitionsvolumen von 600 Mrd. DM entstehen. Wer nach den Kosten frage, solle sich klarmachen, daß ein Flüchtling pro Tag einen Dollar koste, und Afrika habe gegenwärtig 5-7 Millionen Flüchtlinge.
Im letzten Beitrag des Abends faßte Uwe Friesecke die geopolitischen Hintergründe des Konflikts zusammen. Er griff die Eliten in Europa und auch Deutschland scharf an, weil sie im moralischen Test "Afrika" völlig versagt haben. Er zeichnete den Wertewandel der letzten 30 Jahre nach, der sich auch daran zeige, daß die politischen Eliten in Europa eine wirtschaftliche Entwicklung des Kontinents gar nicht mehr anstreben. Es gehe nur noch um ein Verwalten der "Armut unter menschenwürdigen Bedingungen".
Die Mobilisierung der BüSo für eine neue Afrika-Politik wird weitergehen und eskalieren. Wir laden alle dazu ein, mitzumachen!
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